28.05.2020 Edgar Schröder

Edgar Schröder: „Das Verbot von Zeitarbeit in der Fleischindustrie wird wahrscheinlich scheitern!“

  • Edgar Schröder beleuchtet heute zwei Vorhaben des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil: das „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft“ und die Eckpunkte zur Umsetzung der neuen EU-Entsenderichtlinie
  • Das „Arbeitsschutzprogramm für die Fleischwirtschaft“ wurde am 20. Mai 2020 vom Bundeskabinett beschlossen und sieht unter anderem vor, den Fremdpersonaleinsatz auf Basis von Werk- und/oder Arbeitnehmerüberlassungsverträgen in der Fleischindustrie zu verbieten
  • Die Änderungsrichtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates muss bis 30. Juli 2020 in deutsches Recht implementiert werden. Ihr Ziel ist die grundlegende und branchenübergreifende Verbesserung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer. Das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG), so Edgar Schröder, werde darin stark aufgebohrt
  • Der Berater der Zeitarbeit vermutet: „Das derzeit vorherrschende Bashing der Fleischwirtschaft wird als strategisches Ablenkungsmanöver instrumentalisiert, um die gravierenden Neuregelungen im AEntG noch vor der parlamentarischen Sommerpause im Gesetzgebungsverfahren ohne große Widerstände durchzubringen.“
  • Generell glaubt Edgar Schröder, dass das Verbot von Zeitarbeit in der Fleischindustrie mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitern wird. Zum einen werde es durch die einschneidenden Änderungen am AentG überflüssig. Zum anderen benachteilige es die Fleischbranche extrem und verstoße gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie das Übermaßgebot

Unter Federführung des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil hat das Bundeskabinett am 20. Mai 2020 die Eckpunkte des „Arbeitsschutzprogrammes für die Fleischwirtschaft“ beschlossen. Auslöser waren Corona-Infektionen unter den Beschäftigten in fleischverarbeitenden Betrieben. Zudem seien die Arbeits- und Unterkunftsbedingungen der ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unwürdig und gefährlich, hieß es. Die Bundesregierung will die Missstände nunmehr schnell und gründlich beheben. Unter anderem soll der Fremdpersonaleinsatz auf Basis von Werk- und/oder Arbeitnehmerüberlassungsverträgen in der Fleischindustrie komplett verboten werden.

Prof. Dr. Peter Schüren, Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftsrecht an der Universität Münster, bewertet das Vorhaben der Bundesregierung auf der iGZ-Website wie folgt:

„Angesichts der vom Gesetzgeber zu beachtenden EU-Richtlinie Zeitarbeit sowie den verfassungsrechtlichen Vorgaben sind sektorale Einsatzverbote der Zeitarbeit nur eine Ultima Ratio und hier äußerst fragwürdig. Denn in Deutschland sind arbeitsteilige Vorgänge durch das Grundgesetz geschützt. Natürlich müssen Arbeits- und Infektionsschutzregeln besonders in Pandemie-Zeiten streng eingehalten und kontrolliert werden und auch die Frage der Unterbringung muss hier gegebenenfalls einbezogen werden. Dies sei aber keine Frage von Zeitarbeits- oder Anstellungsverhältnissen in den Schlachthöfen.“

Fokus auf die Umsetzung der neuen EU-Entsenderichtlinie
Interessant bei alldem ist: Bereits vor einem Jahr, im Mai 2019, stellte Bundesarbeitsminister Heil seine Eckpunkte zur Umsetzung der neuen EU-Entsenderichtlinie vor. Die Änderungsrichtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates datiert vom 28. Juni 2018 und muss bis 30. Juli 2020 in deutsches Recht implementiert werden.

In diesem ‚historischen‘ Eckpunkte-Papier des BMAS wird unter anderem propagiert:

  • Arbeitnehmer sollen während der Entsendung nicht unter unwürdigen Bedingungen untergebracht sein.
  • Entsendezulagen zum Ausgleich der Kosten für Unterkunft, Reise und Verpflegung gelten nicht mehr als Bestandteil der Entlohnung und dürfen somit nicht auf den Lohn angerechnet werden.
  • Für von ausländischen Unternehmen nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer soll der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ durchgesetzt werden.

Die grundlegende, nachhaltige Verbesserung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer ist von langer Hand geplant und soll voraussichtlich bereits ab Sommer dieses Jahres branchenübergreifend gelten!

– Edgar Schröder zur Umsetzung der neuen EU-Entsenderichtlinie:

Die grundlegende, nachhaltige Verbesserung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen für nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer ist von langer Hand geplant und soll voraussichtlich bereits ab Sommer dieses Jahres branchenübergreifend gelten! Denn zeitgleich mit der medienwirksamen Verkündung des zukünftigen Maßnahmenkataloges innerhalb der Fleischwirtschaft hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf zur Umsetzung der neuen EU-Entsenderichtlinie in den Bundestag eingebracht (siehe Bundestags-Drucksache 19/19371 vom 20. Mai 2020).

Das Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) wird darin extrem stark aufgebohrt!

§ 2 Abs. 1 Nr. 5 AEntG-Entwurf lautet:

Die in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften enthaltenen Regelungen über folgende Arbeitsbedingungen sind auch auf Arbeitsverhältnisse zwischen einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber und seinen im Inland beschäftigten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zwingend anzuwenden:

5. die Sicherheit, der Gesundheitsschutz und die Hygiene am Arbeitsplatz, einschließlich der Anforderungen an die Unterkünfte von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen, wenn sie vom Arbeitgeber für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die von ihrem regelmäßigen Arbeitsplatz entfernt eingesetzt werden, unmittelbar oder mittelbar, entgeltlich oder unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden

In den Erläuterungen wird dazu ausgeführt (auszugsweise Widergabe, siehe S. 21 ff.):

Nummer 5 gilt unabhängig davon, ob der Arbeitgeber oder von ihm zwischengeschaltete Person für die Unterkunft eine Geldleistung von der Arbeitnehmerin oder vom Arbeitnehmer erhalten. Die Vorschriften über Anforderungen an die Unterkünfte finden somit beispielsweise auch Anwendung, wenn der Arbeitgeber für die Arbeitnehmerin oder den Arbeitnehmer eine Mietwohnung vermittelt.

In Rechts- und Verwaltungsvorschriften geregelten Vorgaben für die Unterkünfte existieren derzeit nach § 3 Absatz 1 der Arbeitsstättenverordnung in Verbindung mit Nummer 4.4 Absatz 2 ihrer Anlage. Danach müssen Unterkünfte, die der Arbeitgeber stellt, entsprechend ihrer Belegungszahl mit bestimmten Räumen und Einrichtungen ausgestattet sein. Weitere Einzelheiten sind in den Technischen Regeln für Arbeitsstätten ASR 4.4 niedergelegt.

Es sind viele weitere interessante und teilweise komplexe Stellschrauben im Gesetzentwurf eingearbeitet. Auf die gesetzgeberische Klarstellung unter § 2 Abs. 2 AEntG-Entwurf hinsichtlich spezieller Konstellationen der Arbeitnehmerüberlassung möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich hinweisen:

Ein Arbeitgeber mit Sitz im Ausland beschäftigt einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin auch dann im Inland, wenn er ihn oder sie an einen Entleiher mit Sitz im Ausland oder im Inland überlässt und der Entleiher den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin im Inland beschäftigt.

Von dieser Klarstellung wird nicht nur die direkte grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung aus dem Ausland nach Deutschland erfasst, sondern darüber hinaus auch die besonderen Konstellationen des sogenannten „Hucke-Pack-Verfahrens“ erstmals mit einbezogen.

Bashing der Fleischindustrie eine Nebelkerze?
Das derzeit vorherrschende pauschale Bashing gegen die Fleischwirtschaft, mit den aktuellen COVID-19-Fällen in einzelnen Fleischfabriken, wird meines Erachtens als strategisches Ablenkungsmanöver instrumentalisiert, um die gravierenden Neuregelungen im AEntG noch vor der parlamentarischen Sommerpause im Gesetzgebungsverfahren ohne große Widerstände durchzubringen.

Für die deutsche Zeitarbeitsbranche ist das geänderte AEntG sogar positiv zu bewerten, weil die bisherige Preisdumping-Strategie zahlreicher ausländischer Marktbegleiter aufgrund der neuen gesetzlichen Spielregeln enorm erschwert wird.

An dieser Stelle passt ein Zitat des französischen Gelehrten Montesquieu: „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“

Das einschneidende gesetzestechnische Korsett im AEntG plus bessere Kontrollen zur Überwachung der arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen der Mindestarbeitsbedingungen in den Fleischbetrieben machen den Kabinettsbeschluss zum Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung offenkundig überflüssig. Der Status Quo der beschäftigten Menschen, egal ob Stammbeschäftigte oder Werkvertrags- beziehungsweise Zeitarbeitnehmer, rechtfertigt generell keine Ungleichbehandlung bezüglich der Performance von Arbeitsschutzmaßnahmen inklusive Arbeitsbedingungen. Durch den gesetzgeberischen Zwang, nur eigene Arbeitnehmer zu beschäftigen, würde die Fleischbranche extrem benachteiligt. Es verstößt gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie das Übermaßgebot.

Fazit

Ich vertraue den Prinzipien unseres Rechtstaates. Im bevorstehenden Gesetzgebungsverfahren müssten Bundestag und Bundesrat den kompletten Ausschluss von Werkvertrags- und Zeitarbeitnehmern in der Fleischindustrie zustimmen. Das Prinzip der freien Marktwirtschaft auf Basis des Grundgesetzes wird nach meiner Einschätzung hier obsiegen. Bedeutet: Das geplante sektorale Verbot der Werkverträge und Arbeitnehmerüberlassungen wird mit hoher Wahrscheinlichkeit scheitern!


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