30.09.2024

„Wir müssen alle Ressourcen ausschöpfen, um den drohenden Arbeitskräftemangel zu kompensieren.“

  • Die Drittstaaten-Anwerbung in der Arbeitnehmerüberlassung ist ein Thema, das spaltet. Personaldienstleister fordern schon lange die Aufhebung des Verbots – die Politik hat sich bisher gesträubt.
  • Beim Tag der Personaldienstleister des GVP hatte Finanzminister Christian Lindner Lockerungen angekündigt.
  • Der Hauptgeschäftsführer des GVP Florian Swyter ordnet im Gespräch die Aussicht für die Branche ein. 

arbeitsblog: Herr Swyter, der Finanzminister Christian Lindner hat beim Tag der Personaldienstleister angedeutet, dass das Thema Drittstaaten-Anwerbung für Personaldienstleister in der Regierung mittlerweile anders gesehen wird, und hat Lockerungen in Aussicht gestellt. Wie ordnen Sie das für die Branche ein? 

Florian Swyter: Es ist grundsätzlich sehr positiv, was da geschehen soll. Mittlerweile haben wir sogar einen neuen Stand: Im riesigen Dynamisierungspaket der Bundesregierung ist nun festgehalten, dass das bestehende Beschäftigungsverbot für Personen aus Drittstaaten, die in der Zeitarbeit beschäftigt werden, aufgehoben werden soll. Der einfachste Weg wäre an dieser Stelle, das Verbot ersatzlos zu streichen. Doch leider ist die Aufhebung mit bürokratischen und unnötigen Vorgaben verknüpft. Dazu zählt die Anforderung, dass Equal Pay bzw. Equal Treatment vom ersten Tag an angewendet werden müssen. Die zweite Vorgabe, eine Beschäftigungsgarantie von zwölf Monaten, können wir nicht ganz deuten. Denn wir wissen noch nicht genau, was die Regierung damit meint. Es gibt aktuell keinen Gesetzesentwurf, aber wir hoffen sehr, dass der Bundestag an der Stelle noch nachbessert und das Ganze im Endeffekt anwendbar ist – ohne Wenn und Aber.

arbeitsblog: Warum sind Equal Pay und Equal Treatment vom ersten Tag an bei Personen aus Drittstaaten ein Problem?

Florian Swyter: Unsere Tarifverträge gelten für alle Beschäftigten in der Zeitarbeitsbranche. Wenn wir Sonderregelungen für eine bestimmte Personengruppe einführen, die vorsehen, dass das Lohngefüge des Einsatzbetriebs angewendet wird, schaffen wir damit ein Sonderrecht innerhalb unserer Arbeitnehmergruppe. Außerdem ist das wieder eine Frage der Bürokratie: Unsere Tarifverträge haben den großen Vorteil, dass sie mit den Gewerkschaften vereinbart wurden. So wissen sowohl Kunden als auch die Beschäftigten und die Personaldienstleister, was die Spielregeln sind – und müssen nicht für jeden Einsatzbetrieb neue Bedingungen abstimmen. 

Wir wissen, dass uns aus demografischen Gründen Arbeitskräfte in Millionenhöhe fehlen werden. Daher ist es notwendig, alle Ressourcen auszuschöpfen, um diese kompensieren zu können. 

Florian Swyter

arbeitsblog: Der GVP bzw. die beiden Vorgängerverbände appellieren schon sehr lange an die Politik, das Verbot aufzuheben. Was hat Ihrer Meinung nach zum Umdenken geführt?

Florian Swyter: Das Verbot stammt aus einer Zeit, in der wir den Höchststand der Massenarbeitslosigkeit erreicht hatten – vor ungefähr 20 Jahren. Schon damals waren die Bedenken unbegründet, jedoch ansatzweise plausibel. Das sieht heute anders aus: Die aktuelle Herausforderung in allen Branchen ist der Fachkräftemangel. Absehbar kann es sogar zu einem Arbeitskräftemangel kommen, wenn die Konjunktur wieder anzieht. Wir wissen, dass uns aus demografischen Gründen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Millionenhöhe fehlen werden. Daher ist es notwendig, alle Ressourcen auszuschöpfen, um diese kompensieren zu können. Teil des Dynamisierungspakets ist auch, die Beschäftigung von Älteren zu fördern oder den Vollzeiterwerb bei Frauen zu erhöhen. Das sind alles wichtige Maßnahmen – nur wird das nicht ausreichen. Wir brauchen auch Fachkräfte aus dem Ausland. Die FDP hat das bereits erkannt und als Parteibeschluss festgestellt. Die CDU hat nachgezogen und auf ihrem Bundesparteitag die Aufhebung des Verbots beschlossen.

Florian Swyter

arbeitsblog: Laut Handelsblatt sind die Koalitionspartner der FDP eher skeptisch dieser Aufhebung und auch der Zeitarbeit gegenüber. Gerade der SPD-Sprecher Martin Rosemann hat davon gesprochen, dass durch die Aufhebung eine Gefahr eines Sonderarbeitsmarkts für ausländische Fachkräfte besteht. Wie ordnen Sie die Bedenken ein?

Florian Swyter: Ich kann die Bedenken nicht nachvollziehen. Fakt ist, wir wollen gerade keinen Sonderarbeitsmarkt für Personen aus Drittstaaten. Vielmehr sollen sie ganz normal zu unseren tarifvertraglichen Bedingungen und unter deutschem Arbeitsrecht beschäftigt werden – wie alle inländischen Beschäftigten und diejenigen aus dem EU-Ausland. Gerade auch im Rahmen des Job-Turbos zur Arbeitsmarktintegration Geflüchteter haben wir Verantwortung übernommen und gezeigt, wozu die Personaldienstleistung in der Lage ist. Wenn uns also die Bundesregierung zutraut, vulnerable Personengruppen, die aus verschiedenen Gründen geflüchtet sind, zu integrieren und zu beschäftigen, warum traut man uns dann nicht zu, dass wir das nach ebenso fairen Bedingungen für Fachkräfte aus Drittstaaten machen?

arbeitsblog: Die Drittstaaten-Anwerbung wird häufig als Heilmittel gegen den Fachkräftemangel beschrieben, ist allerdings mit einigen Herausforderungen behaftet. Inwiefern können Personaldienstleister hier unterstützen?

Florian Swyter: Es ist der Job unserer Branche, Personen zu rekrutieren – im In- und Ausland. Wir haben also genügend Erfahrung und Ressourcen, um Fachkräfte aus Drittstaaten anzuwerben. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen kann das von Vorteil sein. Denn sie haben meist keinen direkten Zugang zu Drittstaaten, geschweige denn die finanziellen Mittel. Diese Personen müssen dank der Arbeitnehmerüberlassung beim Einsatzbetrieb nicht fest angestellt werden, sondern haben die Möglichkeit auszuprobieren. Wenn es dann nicht passt, versucht man andere Unternehmen. Das ist der Charme der Arbeitnehmerüberlassung. 

arbeitsblog: Herr Swyter, herzlichen Dank für das Gespräch! 

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