„Wir als Branche müssen uns dem stellen!“
- Natürlich hat auch Edgar Schröder die ZDFzoom Doku „Die dunkle Seite der Zeitarbeit“ geguckt. Im Beitrag analysiert er das Gesehene: „Den Film anzuschauen, war für mich phasenweise eine echte Strapaze! Aber dem sollte sich die Zeitarbeitsbranche stellen.“
- Obwohl das Bemühen der Filmemacher erkennbar sei, einen reflektierten Beitrag über die komplexe Zeitarbeit zu produzieren, falle das Ergebnis klischeehaft und einseitig negativ aus
- Am meisten ärgert sich der Berater der Zeitarbeit über die fehlerhafte Berechnung der BA-Prüfungsdichte von Grünen-Politikerin Beate Müller-Gemmeke und populistischen Äußerungen von Hakan Civelek, Geschäftsführer der IG Metall Velbert
Die Zeitarbeitsbranche hat seit gefühlter Ewigkeit ein Imageproblem (zum Beitrag „Wir als Branche müssen selbstbewusster werden!“ des iGZ-Bundesvorsitzenden Christian Baumann). Die Berichterstattungen in den Medien generalisieren häufig Skandalsachverhalte als das systemimmanente Spiegelbild der Zeitarbeit im Sinne von ‚prekärer‘ Beschäftigung – Arbeitnehmer zweiter Klasse, schlechte Bezahlung. Vor diesem Hintergrund waren viele Unternehmer, Mitarbeiter und Repräsentanten im Vorfeld gespannt, ob die Reportage von ZDFzoom mit dem Titel „Die dunkle Seite der Zeitarbeit“, gesendet am 15. Mai 2019, klischeehaft und einseitig das Negativimage ausschlachtet.
Aus meiner Sicht ist zumindest das Bemühen der Filmemacher Stefan Hanf und Bernd Weisener erkennbar, die komplexe Zeitarbeit vielschichtig zu reflektieren.
Manuela Schwarz hält die Fahne für die Branche hoch
Positiv hervorzuheben ist die kurze Darstellung des süddeutschen Unternehmens Equal Personal mit der Geschäftsführerin Manuela Schwarz, die zugleich Mitglied des iGZ-Vorstandes ist. Sie stellt klar, dass die meisten Unternehmen in der Zeitarbeit sauber arbeiten. Ihr externer Mitarbeiter Mario Klotz bekam Gelegenheit authentisch darzulegen, warum er seinen Job und Status als Zeitarbeitnehmer besonders wertschätzt (zum Interview mit Manuela Schwarz, in dem sie den Ablauf der Dreharbeiten schildert und auf das Feedback ihrer Branchenkollegen eingeht).
Frau Schwarz unterbreitet übrigens den Vorschlag, die Eingangshürden zur Selbstständigkeit in der Zeitarbeit müssen höher sein. An späterer Stelle in der Fernsehreportage wird auf die Regularien des Nachbarlandes Österreich verwiesen. Dort muss der potentielle Unternehmer eine Befähigungsprüfung ablegen und bestehen, um die Zulassung als so genannter „Arbeitskräfteüberlasser“ von der zuständigen Behörde erteilt zu bekommen. Diesen Ansatz kann ich persönlich voll und ganz unterstützen.
Das Blöde ist nur, dass der Fernsehzuschauer in die tatsächliche Prüfungspraxis der BA keinerlei Einblicke vermittelt bekommt.
Blanko-Zettel, verschwundene Krankmeldungen und AU-Bescheinigungen
Im weiteren Verlauf der Reportage wird es für die Reputation der Zeitarbeitsbranche kritischer, weil zwei Insider, die in der Vergangenheit als Sachbearbeiterin und Personaldisponent gearbeitet hatten, über miese Tricks in der Praxis Auskunft geben. Konkret wird unter anderem dargelegt, dass die Zeitarbeitnehmer bei ihrer Einstellung Blanko-Zettel unterschreiben mussten. Es handelte sich um Antragsformulare für Urlaub sowie AZK-Freizeitausgleich mit leeren Datumsfeldern für spätere Eintragungen. Der ehemalige Personaldisponent berichtet zudem von verschwundenen Krankmeldungen und AU-Bescheinigungen, die gegen Urlaubsanträge ausgetauscht worden seien.
Laut Brigitte Langguth, IG Metall Geschäftsstelle Osnabrück, seien diese Vorgehensweisen häufiger anzutreffen, also kein Einzelfall. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) als zuständige Prüfbehörde wurde zu den Blanko-Unterschriften und weiteren gesetzeswidrigen Aktionen befragt. Die BA-Pressesprecherin Susanne Eikemeier meint, die Rolle der BA beziehe sich ausschließlich darauf, zu prüfen, ob alle Auflagen erfüllt seien, um die Erlaubnis zu erteilen. Die arbeitsrechtlichen Bedingungen werden dagegen gar nicht geprüft, denn der Arbeitsvertrag zwischen Personaldienstleister und Zeitarbeitnehmer sei ein rein privatrechtlicher Vertrag, in dessen Umkreis die BA sich neutral zu verhalten habe. Auf die Frage des Moderatorenteams, wer das Ganze denn kontrollieren solle, erwiderte die Pressesprecherin, hier müsse der Gesetzgeber befragt werden, wie er das ganze Gebilde in der Kontrolle selbst bewerte.
Zuschauer erhält keinen Einblick in die BA-Prüfungspraxis
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nahm dazu schriftlich Stellung. 4.500 eingeleitete Ermittlungsverfahren zeigten die Wirksamkeit der Kontrollen. Es bestehe keine Regelungslücke im Gesetz. Die BA hat das Recht, die Verleiher umfassend zu prüfen. Das Blöde ist nur, dass der Fernsehzuschauer in die tatsächliche Prüfungspraxis der BA keinerlei Einblicke vermittelt bekommt (zum Edgar Schröder-Beitrag über die verschärfte BA-Prüfungspraxis).
Stattdessen erhält die Grünen-Politikerin und Bundestagsabgeordnete Beate Müller-Gemmeke Gelegenheit, aus der Antwort der Bundesregierung zu ihrer kleinen Anfrage hinsichtlich der Kontrollen der BA bei Leiharbeitsverhältnissen unzutreffende Schlussfolgerungen zu ziehen. Nach ihrer (falschen!) Berechnung kämen auf einen einzigen BA-Prüfer 615 ‚Verleihbetriebe‘ mit circa 12.000 Leiharbeitnehmern. Gerade mal zehn Prozent aller Verleihbetriebe würden jährlich geprüft. Um die Tricksereien zu unterbinden, wäre Equal Pay ab dem ersten Tag die beste Lösung.
Die schwarzen Schafsherden von Velbert
Am meisten habe ich mich emotional über Hakan Civelek, Geschäftsführer der IG Metall Velbert, aufgeregt. Spricht er doch tatsächlich von „schwarzen Schafsherden“, die es allein in der Stadt Velbert gäbe. Seiner Meinung nach werde Deutschland zu einem Billiglohnland mit Hochkonjunktur der Leiharbeit!
Erstaunlicherweise vertritt der Wissenschaftler Prof. Dr. Klaus Dörre, Professor für Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, die These, dass die Zeitarbeit ein grundlegend strukturelles Problem wegen der schlechteren Arbeitsbedingungen für die Zeitarbeitnehmer habe. Ursächlich sei, dass keine Gleichstellung der Zeitarbeitnehmer erfolge.
In diesem Kontext ist aus meiner Sicht die Filmsequenz besonders ärgerlich, wo ein Zeitarbeitnehmer aus Osnabrück zu Wort kommt, weil er kein Equal Pay nach neun Monaten Überlassungsdauer bekomme. Begründung: Er würde bereits nach wenigen Monaten Einsatzdauer abgemeldet und an ein anderes Kundenunternehmen überlassen. Dadurch würde das Equal Pay „ausgehebelt“.
Fazit
Die grundlegende Fragestellung dieser Reportage lautet: „Ist die Branche außer Kontrolle?“ Das klingt äußerst provokativ. Den circa halbstündigen Film anzuschauen, war für mich phasenweise eine echte Strapaze! Aber dem sollte sich die Zeitarbeitsbranche stellen. Abgesehen von einigen Unschärfen und Übertreibungen, beispielsweise in Sachen Schwarzarbeit, gibt es in unserer Branche seit vielen Jahren diese Tricksereien mit den Blanko-Formularen. Dem muss endlich Einhalt geboten werden! Die Botschaft ist ganz einfach: Fair Play im Umgang mit allen externen Mitarbeitern. Die Philosophie in der Unternehmensführung und -steuerung sollte lauten: AÜG = Aus Überzeugung Gut!
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