06.10.2020 Werner Stolz

Werner Stolz: „Zeitarbeitsbranche kann nicht einfach verboten werden!“

  • iGZ-Hauptgeschäftsführer Werner Stolz kommentiert die öffentliche Anhörung im Bundestag zum Arbeitsschutzkontrollgesetz, bei der Experten den Gesetzentwurf unter die Lupe genommen und heftige kritisiert haben
  • Sein Fazit: „Die Zeitarbeitsbranche kann nicht einfach verboten werden, jedenfalls nicht, wenn eine freiheitliche Wirtschafts- und Berufsordnung ernst genommen wird. Das hat auch die Anhörung verdeutlicht. Der Weg tarifvertraglicher Regelungen wäre angemessen im Sinne der sozialen Marktwirtschaft."

Nach dem Corona-Skandal in einem großen deutschen Unternehmen der Fleischindustrie versucht die Bundesregierung mit dem Arbeitsschutzkontrollgesetz Missständen in der Fleischwirtschaft entgegenzuwirken. Bestandteil des Gesetzentwurfes ist ein Verbot von Werkverträgen und Zeitarbeit in Unternehmen dieser Branche mit mehr als 49 Angestellten. Dieser Teil der Gesetzesinitiative war von Beginn an hoch umstritten – inhaltlich und verfassungsrechtlich. In einer öffentlichen Anhörung im Bundestag haben nun Experten den Gesetzentwurf unter die Lupe genommen und heftige Kritik geübt.

Experten aüßern Zweifel
Professor Dr. Gregor Thüsing von der Universität Bonn wies daraufhin, es sei ein ungewöhnlicher Vorgang, wenn elf führende Kommentatoren des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG), darunter ein ehemaliger Bundesarbeitsrichter, der eher der SPD zugeneigt ist, gemeinsam einen Artikel verfassen, in dem ein geplantes Gesetz gleichsam für verfassungs- und europarechtswidrig erklärt wird. Roland Wolf von der Bundesvereinig der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) machte deutlich, dass die Zeitarbeit in der Fleischwirtschaft mit einer Ausnahme stets im Rahmen geltender Gesetze gehandhabt wurde. Ein Verbot dieses Instruments sei mithin ungeeignet, um Defiziten zu begegnen. Ein spektakulärer Fall von mangelndem Hygieneschutz, der in keinem Zusammenhang mit der Zeitarbeit steht, soll am Ende also zu einem Verbot der Zeitarbeit führen – obwohl diese ordnungsgemäß gehandhabt wird.

In der Anhörung wurde nicht nur kritisiert. Professor Thüsing mahnte, ein Tarifvertrag könne Missstände zielgenauer und praxisgerechter in den Blick nehmen und im Sinne einer marktwirtschaftlichen Ordnung und im Sinne des grundgesetzlichen Auftrages der Tarifparteien regeln.

– Werner Stolz kommentiert die Anhörung:

Professor Dr. Stefan Greiner von der Universität Bonn benannte den Kern des gesetzgeberischen Vorhabens: Corona mag der Anlass gewesen sein, im Kern ginge es aber um den Grundsatz einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung. Die Zeitarbeit unterliege einem intensiven Regulierungsniveau und sei nicht prekär. Ein Infektionsgeschehen, das irgendwann überwunden sei, könne keinen Grundrechtseingriff auf Dauer legitimieren. Ein Verbot der Zeitarbeit hätte zudem massive Folgen. Robert Houdek von der Interessengemeinschaft der bayerischen, familiengeführten Ernährungsindustrie schilderte anhand seines eigenen Unternehmens, womit zu rechnen sei: Sein Unternehmen sei mit saisonalen Schwankungen konfrontiert, die nur mit flexiblem Einsatz von Zeitarbeit bewältigt werden können. Ohne dieses Instrument könne das Saisongeschäft nicht mehr bedient werden, was letztlich dazu führe, dass auch 40 Prozent der Stammarbeitsplätze bedroht würden. In der Anhörung wurde nicht nur kritisiert. Professor Thüsing mahnte, ein Tarifvertrag könne Missstände zielgenauer und praxisgerechter in den Blick nehmen und im Sinne einer marktwirtschaftlichen Ordnung und im Sinne des grundgesetzlichen Auftrages der Tarifparteien regeln.

Fazit

Für mich ist es mehr als besorgniserregend, wenn so gravierende (verfassungsrechtliche) Zweifel – eines ehemaligen Bundesarbeitsrichters, des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages sowie zahlreicher führender Professoren – im Gesetzgebungsprozess gänzlich unberücksichtigt bleiben. Diese Zweifel resultieren aus der Entwicklung der Zeitarbeit der vergangenen Jahrzehnte. Sie ist längst eine reguläre Branche geworden, die tariflich, gesetzlich, verbindlich und durch beeindruckende Praxis ausgestaltet wurde und Arbeitnehmersicherheit sogar über das übliche Maß hinaus bereitstellt. Eine solche Branche kann nicht einfach verboten werden, jedenfalls nicht, wenn eine freiheitliche Wirtschafts- und Berufsordnung ernst genommen wird. Das hat auch die Anhörung verdeutlicht. Der Weg tarifvertraglicher Regelungen wäre angemessen im Sinne der sozialen Marktwirtschaft.


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