Verfahrensdokumentation nach GoBD: Was gehört zur Pflicht und was ist Kür?
- Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat gemeinsam mit dem Deutschen Steuerberaterverband e.V. eine Muster-Verfahrensdokumentation zum ersetzenden Scannen nach den Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) veröffentlicht.
- Konkret bedeutet „nach GoBD“, dass nicht nur ein revisionssicheres Dokumentenmanagement im Einsatz jedes Unternehmens sein muss, welches elektronische Belege verarbeitet – auch die Dokumentation über dessen korrekten und nachvollziehbaren Einsatz wird verlangt. Hiervon sind inzwischen auch Kleinunternehmer betroffen.
- In der Personaldienstleistung schreitet die Digitalisierung immer weiter voran – was müssen Personaldienstleister in Bezug auf die Verfahrensdokumentation beachten? Florian Körber, Digitalisierungsexperte und Geschäftsführer der tutum GmbH, unterhält sich im Interview mit Thorsten Rumpf, IT-Prüfungsleiter bei der Rödl & Partner GmbH, einer führenden Kanzlei auf den Gebieten der Rechts-, Steuer-, Unternehmens- und IT-Beratung sowie der Wirtschaftsprüfung.
Florian Körber: Herr Rumpf, was ist eine Verfahrensdokumentation und warum benötige ich sie?
Thorsten Rumpf: Die Verfahrensdokumentation gibt Schritt für Schritt an, wie ein Beleg in ein Unternehmen gelangt – also elektronisch oder per Post –, wie dieser verarbeitet und digitalisiert wird und dann final zu einer Buchung führt. Anders gesagt, beschreibt die Verfahrensdokumentation einen gesamten Prozess: Wer macht was? Wie wird etwas durchgeführt? Mit welcher Hard- und Software wird gearbeitet?
Einigen Unternehmen ist gar nicht bewusst, dass sie mit ihrem Handeln oftmals gegen gesetzliche Regelungen verstoßen. Beispielsweise bei elektronischen Rechnungen muss die gesetzliche Vorgabe einer Verfahrungsdokumentation erfüllt sein und dann eine revisionssichere Ablage erfolgen. Viele Unternehmen drucken die elektronischen Unterlagen oder Rechnungen einfach aus, versehen sie mit einem Eingangsstempel und legen sie wieder in Papierform ab – das ist weder gültig noch rechtlich haltbar. Die Bundessteuerberaterkammer (BStBK) stellt ein sehr gutes Musterdokument zur Verfügung, das als Unterstützung bei der Erstellung dienen kann.
Florian Körber: Wer erstellt die Verfahrensdokumentation?
Thorsten Rumpf: Sie wird meist von Unternehmen selbstständig erstellt. Das ergibt am meisten Sinn, da hier jeweils Prozesse, Aufbau und IT-Struktur bekannt sind. Bei Bedarf kann natürlich eine beratende Kanzlei hinzugezogen werden. Wir zum Beispiel bieten sowohl die Erstellung der Verfahrensdokumentation als auch die qualitätssichernde Begleitung der Erstellung an. Ebenso gehört zu unseren Dienstleistungen die Durchführung einer Prüfung aufgrund derer wir dem Unternehmen eine Bescheinigung über das revisionssichere Ablagesystem ausstellen. Daraus resultierend können bestimmte Unterlagen in Papierform vernichtet werden und müssen keine 10 Jahre mehr aufbewahrt werden. Dafür genügt dann das digitalisierte Abbild.
Idealerweise bezieht man an der Stelle auch gleich den Wirtschaftsprüfer mit ein, der mit dem jeweiligen Unternehmen zusammenarbeitet.
Florian Körber: Darf ich Dokumente wegwerfen, wenn sie digitalisiert sind?
Thorsten Rumpf: Jedes Dokument muss vom Unternehmen klassifiziert werden. Stellenweise ist das sehr individuell, da auch einige Belege wie z.B. gewisse Zollpapiere im Original aufbewahrungspflichtig sind. Hier sollte bereits im Vorfeld geklärt werden, welche Dokumente man entsorgen darf. Lieferscheine, Rechnungen etc. können nach dem Digitalisieren vernichtet werden. Wichtig ist, dass die Vernichtung der originalen Papierbelege ohne negative Folgen für die Ordnungsmäßigkeit und insbesondere die Beweiskraft der Buchführung bzw. Aufzeichnungen bleibt. Eben das wird durch die oben beschriebene Verfahrensdokumentation und die darin beschriebenen Prozesse sichergestellt. Als Maßstab werden dabei ausschließlich handels- und/oder steuerrechtliche Ordnungsmäßigkeitsnormen herangezogen.
Florian Körber: Was sollten Unternehmen aus Ihrer Sicht tun, die bis dato noch keine Verfahrensdokumentation erstellt haben?
Thorsten Rumpf: Die Unternehmen sollten schleunigst die nötigen Grundlagen für eine Verfahrensdokumentation intern ermitteln und in einem Dokument zusammenfassen. Es gibt etliche Vorlagen von Verfahrensdokumentationen, die man mit den sodann gewonnen Informationen zügig befüllen kann. Damit hat man zunächst einmal den Grundstein gelegt.
Wer die Qualität der Dokumentation durch ein weiteres Augenpaar verbessern möchte, sollte externe Expertise z.B. durch einen Wirtschaftsprüfer oder Berater hinzuziehen. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausführkontrolle (BAFA) fördert diese Beratungsleistung zur Erstellung einer Verfahrensdokumentation sogar mit bis zu 1.500 Euro.
Viele Unternehmen drucken die elektronischen Unterlagen oder Rechnungen einfach aus, versehen sie mit einem Eingangsstempel und legen sie in Papierform wieder ab – das ist weder gültig noch rechtlich haltbar.
Florian Körber: Was passiert, wenn ich als Unternehmen keine Verfahrensdokumentation nachweisen kann?
Thorsten Rumpf: Im Fall einer fehlenden Verfahrensdokumentation liegt klar ein gesetzlicher Verstoß vor. Sollte die Verfahrensdokumentation fehlen oder ungenügend sein, kann in der Folge die Buchführung verworfen werden, da diese nicht mehr nachvollziehbar bzw. prüfbar ist.
Florian Körber: Was genau bedeutet ein Verwerfen der Buchführung?
Thorsten Rumpf: Das bedeutet, dass alles, was mit der Buchhaltung zusammenhängt, nicht anerkannt wird. Dies hat ebenso zur Folge, dass der gesetzlichen Pflicht zur Buchführung nicht nachgekommen wird, was wiederum juristische Folgen hat. Aber selbst, wenn dieser Worst Case nicht eintritt, gehört die Verfahrensdokumentation zu den Pflichtunterlagen, die dem Betriebsprüfer auf Verlangen vorzulegen ist. Kann man diese nicht vorlegen, ist es ein Mangel. Findet der Betriebsprüfer drei Mängel, kann es durchaus dazu kommen, dass die Steuern vom Finanzamt geschätzt werden – meist zu Ungunsten des betroffenen Unternehmens.
Florian Körber: Wie kann man als Unternehmen eine Zuordnung der digital archivierten Unterlagen zu den gebuchten Geschäftsvorgängen gewährleisten?
Thorsten Rumpf: Für Unternehmen ist es zunächst wichtig, ein Dokumentenmanagement-System im Einsatz zu haben, welches eine revisionssichere Archivierung ermöglicht. Die Pflichtübung ist es, ein zertifiziertes Softwaresystem einzusetzen.
Nach der Pflicht kommt die Kür: Den größten Komfort für Anwender und Prüfer bieten Systeme, welche zu jedem Buchungsvorgang in der Finanzbuchhaltung einen direkten Link zum digital archivierten Beleg anbieten. Dadurch können alle Geschäftsvorgänge enorm zügig und einfach geprüft werden.
Florian Körber: Wie kann man als Unternehmen sicherstellen, dass die eigene Verfahrensdokumentation komplett und fehlerfrei ist?
Thorsten Rumpf: Eine Verfahrensdokumentation ist ein lebendiges Dokument, welches sich im Laufe der Zeit und mit der Anpassung von Prozessen verändert. Wichtig ist, dass die Verfahrensdokumentation den aktuellen Stand des Verfahrens abbildet. Hierzu sollte in regelmäßigen Abständen ein Abgleich zwischen dem tatsächlich gelebten Prozess und der schriftlichen Verfahrensdokumentation durchgeführt werden. In der Regel genügt es, wenn das einmal jährlich durchgeführt wird.
Florian Körber: Herr Rumpf, vielen Dank für das informative Gespräch.
Fazit von Florian Körber
Das Gespräch mit Thorsten Rumpf von Rödl & Partner zeigt, dass die lücken- und fehlerfreie Verfahrensdokumentation für alle Unternehmen essenziell ist. Mit fortschreitender Digitalisierung in der Personaldienstleistung ist es umso wichtiger, frühzeitig auf eine rechtskonforme Lösung und einen kompetenten Partner zu setzen. In Zusammenarbeit mit DocuWare bieten wir bei tutum eine einheitliche Lösung, in der Dokumentenmanagement, Archivierung und Workflow vereint sind.
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GoBD auf einen Blick
GoBD steht für: Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern und Aufzeichnungen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff.
Durch die GoBD werden folgende Grundsätze geregelt:
- Grundsatz der Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit
- Grundsätze der Wahrheit, Klarheit und fortlaufenden Aufzeichnung (Vollständigkeit, Einzelaufzeichnungspflicht, Richtigkeit, zeitgerechte Buchungen und Aufzeichnungen, Ordnung, Unveränderbarkeit)
Das Bundeministerium der Finanzen schreibt vor, dass vier Bestandteile zu einer Verfahrensdokumentation gefordert werden müssen:
- eine allgemeine Beschreibung,
- eine Anwenderdokumentation,
- eine technische Systemdokumentation und
- eine Betriebsdokumentation.