Unsere Highlights des 15. ES-Unternehmerforums
- Vergangenen Dienstag war es wieder soweit: Die Personaldienstleistungsbranche folgte der Einladung von Edgar Schröder nach Fulda.
- Rund 200 Branchenvertreterinnen und -vertreter versammelten sich im Kongresshotel Esperanto, um sich über aktuelle Entwicklungen sowie künftige Trends zu informieren und sich auszutauschen.
- Auch wir waren natürlich vor Ort. Im Blogbeitrag stellt arbeitsblog-Redakteurin Kristina Pauncheva ihre Highlights des 15. ES-Unternehmerforums vor.
Ich hatte hohe Erwartungen an das ES-Unternehmerforum. Von den hochkarätigen Referentinnen und Referenten über die angeteaserten Themen bis hin zur Fachmesse mit 17 Ausstellern – die Veranstaltung versprach, ein voller Erfolg zu werden. Und ich wurde nicht enttäuscht. Eine entspannte Atmosphäre sowie positive Stimmung prägten den Tag in Fulda – und in den Vorträgen gab es wichtige Impulse für die Branche.
Wird es nun einen neuen Branchenverband geben?
Heute, am 24. Mai, steht die Mitgliederversammlung des iGZ an – und kommende Woche folgt die Versammlung des BAP. Im Rahmen beider Veranstaltungen stimmen die Mitglieder darüber ab, ob sich die Organisationen zusammenschließen und die Gründung eines neuen Verbandes in Angriff nehmen. Beim ES-Unternehmerforum waren beide Branchenverbände vertreten und äußerten sich zu diesem brandheißen Thema. iGZ-Hauptgeschäftsführer Werner Stolz erläuterte zwar, dass in dieser Hinsicht „noch nicht so viel passiert ist“, doch gibt es seiner Meinung nach auch deutliche Signale, dass die Zusammenarbeit gut funktioniert. „Aber man muss aufpassen, denn in der Geschichte hat unsere kleine Branche schon zig Verbände gehabt. Das wird eine Gratwanderung – zumal wir mehr bieten wollen als einfach nur das ‚Eins plus Eins‘“, so der iGZ-Hauptgeschäftsführer.
Die Vorteile liegen auf der Hand. Wir können Ressourcen bündeln und ganz anders auftreten. Das ist die Stärkung unserer politischen Kraft.
Auch Florian Swyter betonte, dass dieses Vorhaben nicht von heute auf morgen umgesetzt wird. „Wenn es nach mir ginge, würde ich sagen: Lass uns unterschreiben. Aber es sind unsere Mitglieder, die darüber entscheiden werden“, erklärte der BAP-Hauptgeschäftsführer und ergänzte: „Jetzt müssen wir erst einmal auch die Dinge besprechen, die uns naturgemäß unterscheiden. Das ist nicht trivial, darüber muss gründlich und vertrauensvoll gesprochen werden.“
Beide Verbände zeigten sich jedoch zuversichtlich. So betonte der stellvertretende iGZ-Hauptgeschäftsführer Dr. Martin Dreyer, dass er sich auf einen befruchtenden und konstruktiven Austausch freut. Dass sich das Auftreten als eine Einheit auszahlen wird, davon schienen die Verbandsvertreter überzeugt. „Die Vorteile liegen auf der Hand“, erklärte Florian Swyter. „Wir können Ressourcen bündeln und ganz anders auftreten. Das ist die Stärkung unserer politischen Kraft.“
Auch Gastgeber Edgar Schröder betonte, wie wichtig das Vorhaben aus seiner Sicht ist – gerade vor dem Hintergrund, dass der Branche herausfordernde Tarifverhandlungen bevorstehen. „Meiner Einschätzung nach wird das ein längerer Prozess“, erläuterte der Berater der Zeitarbeit. „Mein Wunsch wäre, dass aus BAP und iGZ ein gemeinsamer Verband entsteht und für die Tarifverhandlungen einheitliche Forderungen feststehen.“
Werden die Tarifverhandlungen vorgezogen?
Nach der krankheitsbedingten Absage des IGBCE-Gewerkschaftsvertreters Moritz Hautmann beleuchtete Edgar Schröder das Thema Tarifverträge und Mindestlohn. Er ging der Frage nach, wie sich das Zusammenspiel beider Faktoren auf die Zeitarbeit auswirkt. „Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder haben wir einen Deal – oder wir haben zwölf Euro“, fasste der Gastgeber zusammen. Darüber hinaus ging er darauf ein, wie sich der Mindestlohn in den einzelnen Entgeltgruppen (EG) bemerkbar machen könnte. „Es wird vielleicht nicht sofort etwas passieren, aber es wird sich was tun. Vielleicht haben wir irgendwann keine EG 1 mehr – auch das ist vorstellbar.“ Der Branchenexperte betonte, dass es aktuell und branchenübergreifend die zentrale Forderung der Gewerkschaften sei, in den untersten Tarifentgeltgruppen jeweils signifikanten Abstand zum flächendeckenden Mindestlohn zu haben.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder haben wir einen Deal – oder wir haben zwölf Euro.
Für eine Einschätzung aus Verbandseite zog Edgar Schröder Dr. Martin Dreyer hinzu. Der stellvertretende iGZ-Hauptgeschäftsführer erklärte, dass die Erhöhung des Mindestlohns die Verhandlungspläne umwirft: „Eigentlich hätten wir eine längere Laufzeit der bestehenden Tarifverträge und hätten in der ersten Jahreshälfte Sondierungen durchführen können. Um für Stabilität und Planungssicherheit zu sorgen, werden die Verhandlungen nun früher angegangen, um möglichst früh auch konkrete Zahlen zu geben. Denn wir wollen vermeiden, dass die Zeitarbeit im Oktober ohne neuen Vertrag dasteht – und mit Löhnen, die unterhalb des gesetzlichen liegen.“ Er ergänzte jedoch auch, dass es zurzeit keine konkreten Gewerkschaftsforderungen gibt.
Von Arbeitszeiterfassung bis Überlassungshöchstdauer: Neues in Bezug auf die rechtlichen Rahmenbedingungen
Neben den politischen Rahmenbedingungen beschäftigen naturgemäß auch rechtliche Aspekte die stark regulierte Zeitarbeitsbranche. Themen wie die Überlassungshöchstdauer, Arbeitszeiterfassung oder auch die Anpassungen in Bezug auf die Arbeitsvertragsgestaltung beleuchtete Prof. Dr. Björn Gaul von CMS Hasche Sigle in einem Vortrag, der für mich zu den Highlights der Veranstaltung gehörte. Der Jurist schaffte es, trotz der vermeintlich trockenen Inhalte das Publikum mitzunehmen und nicht nur zu informieren, sondern auch zu unterhalten.
Tarifvertragsparteien haben das Recht, eine Überlassungsdauer festzulegen – das ist mit dem EU-Recht vereinbar. Und das ist die zentrale Aussage des EuGH-Urteils.
In Sachen Überlassungshöchstdauer stellte der Fachanwalt für Arbeitsrecht fest: „Das EU-Recht gibt im Grunde keine genaue Vorgabe vor. Es erlaubt vom Grundsatz her deutlich mehr, als es in der deutschen Auslegung der Fall ist.“ Daraus ergeben sich aus seiner Perspektive zwei Fragen: „Ist das, was die Tarifparteien machen, zulässig? Und funktioniert es überhaupt?“
Die erste Frage ist seiner Meinung nach eindeutig zu beantworten, denn hier hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits entschieden: „Tarifvertragsparteien haben das Recht, eine Überlassungsdauer festzulegen – das ist mit dem EU-Recht vereinbar. Und das ist die zentrale Aussage dieses Urteils.“
Beim ES-Unternehmerforum behandelte der Jurist außerdem die Themen Arbeitszeiterfassung in der Zeitarbeit sowie Arbeitsvertragsgestaltung. Seiner Einschätzung nach wird die Arbeitszeiterfassung in der Branche früher oder später eingeführt: „Ich würde das Thema zwar vorerst ‚parken‘, doch es ist nicht aus der Welt.“
Was die Arbeitsvertragsgestaltung angeht, riet der Rechtsanwalt den Anwesenden, sich frühzeitig darum zu kümmern und die hier relevante Richtlinie RL 2019/1152 bis zum 1. August umzusetzen. „Das bedeutet für Sie, dass Sie Ihre Verträge überprüfen: Ist die Vergütung aufgeschlüsselt? Steht die Probezeit bei befristeten Verträgen in einem angemessenen Verhältnis zur Dauer des Vertrags?“ Prof. Dr. Gaul erläuterte zudem, warum diese Prüfung wichtig ist: „Erstens gibt es einen Bußgeldkatalog mit Strafen in Höhe von bis zu 2.000 Euro pro Vertrag, zweitens die Vermutung zugunsten der Mitarbeitenden und drittens Schadenersatzansprüche. Deswegen die ganz dringende Bitte: Überarbeiten Sie Ihre Arbeitsverträge!“
Starke Botschaften an die Branche
Prof. Dr. Gaul war nicht der einzige Referent, der sich mit einem Appell ans Publikum wandte. In einem beeindruckenden Vortrag rief Unternehmerin Ingrid Hofmann die Anwesenden dazu auf, selbstbewusst aufzutreten – vor allem bei Verhandlungen mit Kunden: „Mitarbeitende sollen fair entlohnt werden, Personaldienstleister angemessen bezahlt. Wir lehnen mittlerweile Verträge ab, wenn die Konditionen einfach nicht passen. Denken Sie an den Wert der eigenen Dienstleistung und lassen Sie sich nicht unter Druck setzen!“
Darüber hinaus riet die geschäftsführende Alleingesellschafterin der I.K. Hofmann GmbH den Unternehmerinnen und Unternehmern vor Ort, ihre Mitarbeitenden zu schätzen – und ihnen das auch zu zeigen. Denn zum Erfolg in der Personaldienstleistung braucht es ihrer Meinung nach ganz klar kompetente, motiviert Mitarbeitende.
Wenn Unternehmen Zeitarbeitskräfte ohne Einhaltung einer Frist abmelden und dann erwarten, dass sie jederzeit wieder verfügbar sind, dann ist das eine Exklusivität, die ihren Preis haben sollte.
Starke Botschaften vermittelte auch Gastgeber Edgar Schröder in seinem Impulsvortrag „Love it, Change it or Leave it“. Er betonte, dass Personaldienstleister den Mehrwert ihrer Arbeit sichtbar machen müssen – gerade vor dem Hintergrund, dass viele Auftraggeber den Stundenverrechnungssatz als eine „All in One“-Flatrate ansehen. „Wenn Unternehmen Zeitarbeitskräfte ohne Einhaltung einer Frist abmelden und dann erwarten, dass sie jederzeit wieder verfügbar sind, dann ist das eine Exklusivität, die ihren Preis haben sollte.“ Der Organisator des ES-Unternehmerforums appellierte an die Anwesenden: „Wir haben es in der Hand! Wir können ein Umdenken bewirken. Dieses führt zu mehr Bindung – und dadurch ändern sich weitere Denkmuster. Letztlich sollten Zeitarbeitskräfte nicht als ‚Mitarbeiter zweiter Klasse‘ angesehen werden!“
Darüber hinaus riet der Unternehmensberater, den Blick nach innen zu richten: „Wir sollten auf die nicht sichtbaren Experten und Leistungsträger im Hintergrund achten, etwa im Backoffice oder in der Buchhaltung. Sie sind ein Kompass, ein Steuer – sie navigieren und ohne sie fehlt uns das Rückgrat.“
Wie zufrieden sind interne Mitarbeitende?
Dass die Zufriedenheit der internen Mitarbeitenden essenziell ist, betonte auch Prof. Dr. Steffen Hillebrecht, Experte für Personalwirtschaft. Gemeinsam mit seinen Studierenden an der HAW Würzbürg-Schweinfurt hat er eine Studie durchgeführt und 216 interne Mitarbeitende aus der Personaldienstleistung befragt. „Wir stellten die öffentliche Wahrnehmung der Branche – Sklaventreiber etc., Sie kennen es – der Selbstwahrnehmung der internen Mitarbeitenden gegenüber. Das Ziel war es, deren Zufriedenheit zu erforschen und Überlegungen zur Verbesserung voranzutreiben.“ Einige Studienergebnisse waren unerfreulich. So schätzten 136 Teilnehmende das Image der Zeitarbeit als eher negativ ein – und 63 hielten dies für gerechtfertigt. „Es gibt also durchaus einige Dinge, über die wir reden müssen“, äußerte sich Prof. Dr. Hillebrecht dazu. Demgegenüber stehen allerdings 153 Personen, für die das schlechte Branchenimage nicht der Wahrheit entspricht – und die überwiegende Mehrheit der Befragten gab an, dass ihre Erwartungen erfüllt werden. „Irgendwas macht die Branche also richtig“, fasste Prof. Dr. Hillebrecht zusammen.
Optimierungspotenzial sieht der Experte etwa im Hinblick auf das Thema Flexibilität. „Wenn ich bis 70 arbeiten muss, ist flexible Arbeitszeit – oder vielleicht auch ein Sabbatical – ein wichtiges Thema. Genau wie andere Möglichkeiten, flexibel und vor allem gesund zu bleiben. Gesundheit und Resilienz scheinen wichtiger als Gehalt“, erläuterte der Wissenschaftler und riet den Unternehmerinnen und Unternehmern daher, Wünsche wie etwa nach einem Sabbatical nicht als Faulheit auszulegen.
Was will der Mitarbeitende von morgen?
Die Bedürfnisse der Mitarbeitenden standen auch bei den Vorträgen von Unternehmensberater Christoph Athanas und Innovationsexperten Ralf Freudenthal im Fokus. Christoph Athanas, Geschäftsführer der meta HR Unternehmensberatung, berichtete, dass er bei der Jobsuche eine Verschiebung beobachtet. Ging diese früher vom Arbeitgeber aus („Wen brauche ich?“), findet heute ein Paradigmen-Wechsel statt: Mittlerweile fragt sich der Arbeitnehmende: „Was will ich tun?“ Christoph Athanas‘ Schlussfolgerung: „In der Konsequenz brauchen wir zum einen digitale Strategien.“ Zum anderen sieht der Experte den hohen Bedarf an einer menschlichen Komponente: „Das ist verrückt: Je digitaler die Welt wird, umso sozialer müssen wir werden. Wir brauchen Geschichten mit Herz, mit Seele und müssen transparent und menschlich auftreten.“
Auch Ralf Freudenthal, Gründer und Inhaber der Innovationsberatung futurebirds, ging auf die geänderten Bedürfnisse der Kandidaten ein, die heute den Arbeitsmarkt bestimmen. „Ich kann verstehen, wenn das Gefühl aufkommt, dass die Branche heute kein Gestalter mehr ist, sondern nur noch reagiert“, so Freudenthal. Dennoch riet er den Unternehmerinnen und Unternehmern, sich nicht entmutigen zu lassen, sondern Veränderungen als Chance zu sehen. „Es geht nicht darum, dass wir die Zeitarbeit neu erfinden. Es geht darum, Produkte und Services zu entwickeln, die einen Mehrwert bieten. Beantworten Sie sich selbst die Frage, welche Rolle Sie in Ihrer Branche spielen wollen.“
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das 15. ES-Unternehmerforum allen Anwesenden wertvolle Impulse und Anregungen geliefert hat – und viel Motivation, sich kommenden Herausforderungen selbstbewusst und zuversichtlich zu stellen. Die positive Stimmung prägte auch den Austausch in den Pausen sowie an den Ständen der 17 Ausstellern auf der begleitenden Fachmesse. Ich freue mich jetzt schon auf die 16. Auflage der Veranstaltung im kommenden Jahr!
Hier finden Sie weitere Informationen und Impressionen zur Veranstaltung und können sich für das 16. ES-Unternehmerforum anmelden.