So profitieren Personaldienstleister von New Work
- Die Stärken des einzelnen Mitarbeiters stehen im Mittelpunkt des New-Work-Konzepts. „Die Mitarbeiter oder Zeitarbeitnehmer wissen selbst oft aber gar nicht, wo ihre Stärken eigentlich liegen“, erklärt Zukunftsforscher Kai Gondlach.
- „Deshalb ist es die Aufgabe der Personaldienstleister und HR-Abteilungen, die Stärken des Einzelnen erstens zu identifizieren und zweitens gewinnbringend zu platzieren.“
- Im Interview spricht Gondlach zudem über das Überwinden von Hierarchien, das Problem der fehlenden Digitalkompetenz und die Grenzen von New Work in der Zeitarbeit.
In Zeiten wie diesen haben Zukunftsforscher Hochkonjunktur. Was wird in Folge der Corona-Pandemie auf uns zukommen? Diese Frage stellen sich Millionen Menschen weltweit im privaten und im beruflichen Kontext. Die vergangenen zwölf Monate haben bereits gezeigt, wie schnell jahrzehnte lang bestehende Prozesse neu gedacht werden können – und müssen. Die Digitalisierung in beinahe allen Lebensbereiche hat einen riesigen Sprung gemacht und stellt die Beteiligten vor große Aufgaben. Das Thema "New Work" hat in diesem Zusammenhang auch weiter an Fahrt aufgenommen – und wird oft im gleichen Atemzug mit Homeoffice genannt. Dabei ist "New Work" mehr als das, erklärt Zukunftsforscher Kai Gondlach im arbeitsblog-Interview und zeigt zugleich auf, wie die Personaldienstleistungsbranche von der neuen Arbeit profitieren kann.
arbeitsblog: In den vergangenen Monaten haben einige Unternehmen, von denen man es vorher eher nicht erwartet hätte, Homeoffice und flexible Arbeitszeiten eingeführt. Ist das für Sie schon New Work, was da passiert ist?
Kai Gondlach: Nein. Homeoffice ist nach der neuen, modernen Lesart ein Bestandteil von New Work, aber sicher nicht der einzige.
Wie definieren Sie denn New Work?
Für mich zielt New Work in erster Linie auf das Organisationsmodell ab, betrifft also den gesamten Aufbau einer Organisation. New Work ist eine Abkehr vom Ansatz „Wir holen möglichst viel Effizienz aus dem Humankapital unserer Mitarbeiter“. Das war die Grundannahme des alten Organisationsmodells, das vielerorts immer noch praktiziert wird. Bei New Work stellen wir hingegen den einzelnen Menschen ins Zentrum. Außerdem definieren wir den Kern unseres Geschäftsmodells neu. Was nämlich in der Debatte um New Work oft vergessen wird: Der Ansatz geht über Arbeitsmethoden und Personalmanagement hinaus! New Work soll auch eine Antwort sein auf die immer schnelleren Veränderungen – beispielsweise durch Digitalisierung und Globalisierung. Wenn wir diese Herausforderungen meistern wollen, muss jedes einzelne Glied in der Organisation flexibler und agiler aufgestellt sein.
Haben Sie dafür ein konkretes Beispiel?
Eine IHK im Ruhrgebiet hatte ein akutes Fachkräfte- und Managementproblem. Deshalb fingen die Verantwortlichen an, sich nach Lösungen umzuschauen. Es wurden alle Stellenausschreibungen angeschaut, Gespräche mit jedem einzelnen Mitarbeiter geführt – und schließlich beschlossen, dass jeder Angestellte seine Stelle künftig selbst definieren darf. Mehr Front Office? Vielleicht Teilzeit? Nebenbei noch in der Buchhaltung? Das hat sehr gut funktioniert, erstaunlicherweise gerade auch für die Älteren. Die allermeisten Angestellten sind nach der Umstellung wieder richtig gerne zur Arbeit gegangen.
Intern kann die Organisation davon profitieren, sich in puncto New Work fit zu machen. Gerade im Hinblick auf Technologietrends können so innovative Wege gefunden werden. Dazu gehört auch die zunehmende Automatisierung diverser Berufsbilder, die aktuell das Brot- und Butter-Geschäft der Zeitarbeitsfirmen ausmachen.
Ein Bestandteil von New Work ist also, dass man den Mitarbeitern eine gewisse Wahlfreiheit gibt, ihre eigenen Stärken zu finden und die einzubringen. Wie könnte das in einem Zeitarbeitsunternehmen aussehen?
Genau, das ist einer der wichtigsten Bestandteile von New Work. Insgesamt wird viel zu wenig mit der Profilierung von Menschen gearbeitet. Auch wissen die Mitarbeiter oder Zeitarbeitnehmer selbst oft gar nicht, wo ihre Stärken eigentlich liegen. Deshalb ist es die Aufgabe der Personaldienstleister und HR-Abteilungen, die Stärken des Einzelnen erstens zu identifizieren und zweitens gewinnbringend zu platzieren. Ob das intern oder extern passiert, spielt keine Rolle.
Was gehört denn noch zu New Work?
Der ganze Themenkomplex rund um die Digitalisierung. Gerade die Digitalkompetenz ist etwas, das in meiner Beobachtung in den Köpfen vieler Entscheider fehlt. Paradoxerweise sind seit Beginn der Digitalisierung, also seit eigentlich über 50 Jahren, immer weniger Schwarz-Weiß-Entscheidungen zu treffen. Diese Grauzonen zu adressieren, das müssen Führungskräfte erst noch lernen.
Wie könnten Personaldienstleister Digitalisierung im Sinne von New Work in ihre Arbeitsabläufe integrieren?
Das fängt schon bei Rekrutierungsprozessen an, die noch stärker automatisiert werden können. Ich rede hier von digitalisierten Feedbacksystemen für alle Stakeholder sowie von KI-basierten Vorschlagssystemen für Personal und vakante Stellen. Und um nur ein weiteres Beispiel zu nennen: Ich halte den Weiterbildungssektor für massiv unterrepräsentiert, wenn wir über Digitalisierung und New Work sprechen. Das ist natürlich insbesondere in Personalvermittlungen ein Thema, die tendenziell eher mit Klientel zu tun haben, das eine weniger erfolgreiche Bildungskarriere hinter sich hat.
Geht es bei New Work auch darum, Hierarchien zu überwinden und die Grenzen zwischen Kompetenzbereichen durchgängiger zu machen?
Unbedingt. Nicht falsch verstehen: Hierarchien sollen nicht abgeschafft werden. Eine Organisation ab 20 Menschen braucht Hierarchien, irgendwer muss die Verantwortung tragen. Bei New Work läuft die Frage der Verantwortung aber viel agiler ab als in einem klassisch geplanten Unternehmen. Wenn es ein Problem gibt, wird das besprochen – und dann gefragt: „Wer hat sowohl die Kompetenz als auch die Kapazitäten, sich dieses Problems anzunehmen?“ Diese Person wird dann zur Projektleitung und stellt sich ein Team zusammen. Ein ganz wichtiges Dogma von New Work ist auch, dass man die Mitarbeiter nie zu 100 Prozent auslasten, sondern ihnen Raum für eigene Ideen geben sollte. So entstehen Innovationen, die das ganze Unternehmen nutzen kann. Das ist es, was hierzulande unterschätzt wird.
Wie kann die Zeitarbeit von diesen Ansätzen profitieren?
Im externen Bereich muss ich ganz pragmatisch sagen: Themen wie New Work sind bei hart durchstrukturierten Tätigkeitsbereichen, etwa auf einer Baustelle oder im Callcenter, oder bei zeitlich begrenzten Engagements, beispielsweise zur Grillsaison im Schlachtbetrieb, etwas, über das man sich als Führungskraft in diesem Jahrzehnt keine Gedanken machen muss. Intern hingegen kann die Organisation durchaus davon profitieren, sich in puncto New Work fit zu machen. Gerade im Hinblick auf Technologietrends können mit den beschriebenen Ansätzen innovative Wege gefunden werden. Dazu gehört auch die zunehmende Automatisierung diverser Berufsbilder, die aktuell das Brot- und Butter-Geschäft der Zeitarbeitsfirmen ausmachen.
Wo sehen Sie intern Grenzen von New Work für Personaldienstleister?
Ganz ehrlich – die Grenze liegt da, wo man es nicht probiert! Damit ziele ich auf Glaubenssätze ab wie: „Bis jetzt hat es immer so funktioniert, warum sollte man sich anders aufstellen?“. In den Köpfen vieler Entscheider ist die agile Innovations- und auch Projektmanagementlogik einfach noch nicht angekommen. Obwohl sie wahrscheinlich merken, dass es in den letzten Jahren nicht mehr das gleiche Wachstum wie in den 1980ern und 1990ern gab. Allein durch New Work wird man das nicht ändern können, aber so lassen sich zumindest wichtige Weichen für die Zukunft stellen.
Herr Gondlach, vielen Dank für das Gespräch.
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