„Personaldienstleister müssen akzeptieren, dass sich der Wind gedreht hat!“
- Paul Johannes Baumgartner, unter anderem Speaker und Moderator bei Antenne Bayern, ist überzeugt: Das Konzept der Kundenzufriedenheit stammt aus den 1970ern und ist überholt
- Statt zufriedener Kunden brauchen Unternehmen heutzutage begeisterte Fans. Die sind loyaler und dienen als Werbeträger
- Der größte Begeisterungsfaktor ist der Mensch. Wer andere begeistern will, sollte Begeisterung ausstrahlen und wertschätzend kommunizieren
- Um Kandidaten für sich zu begeistern, müssen Personaldienstleister ihre Strategie neu ausrichten – und Bewerbern Gründe liefern, warum sie zu ihnen und nicht zum Endunternehmen gehen sollten. Das Thema Coaching gewinnt dadurch an Bedeutung
- Auf dem ES-Unternehmerforum hält Paul Johannes Baumgartner den Vortrag „Das Geheimnis der Begeisterung“
Paul Johannes Baumgartner ist nicht nur Moderator bei Deutschlands erfolgreichster Radiostation Antenne Bayern, sondern auch Motivationstrainer, Speaker, Autor und ‚Wissenschaffer‘. Mit einem Thema kennt er sich dabei besonders gut aus: Begeisterung. Ohne die, so ist er überzeugt, wäre nie Großes zustande gebracht worden. Im Interview mit dem arbeitsblog erklärt Paul Johannes Baumgartner den Unterschied zwischen Kundenzufriedenheit und -begeisterung, den strategischen Umgang mit Erwartungshaltungen, die Wirkung wertschätzender Kommunikation – und wie Personaldienstleister Bewerber heutzutage für sich gewinnen können.
Herr Baumgartner, die meisten Unternehmen sind zufrieden, wenn die Kunden zufrieden sind. Sie finden, dass zufriedene Kunden heute längst nicht mehr ausreichen. Warum?
Was mich beim Thema Kundenzufriedenheit massiv stört, ist, dass die Idee aus den 1970ern stammt und nie wirklich weiterentwickelt wurde. „Kundenzufriedenheit wird bei uns groß geschrieben!“ – wenn ich diese hohle Phrase nur höre, stellen sich bei mir die Nackenhaare auf. Was bedeutet das denn? Schauen Sie, wenn ein Kunde zufrieden ist, dann sagt das doch überhaupt nichts über eine langfristige Beziehung aus. Es gibt zufriedene Kunden, die nicht loyal sind. Sie wechseln die Marke und das Angebot, ohne dass es dafür einen konkreten Anlass gibt. Sie treffen einfach eine neue Wahl. Begeisterte Kunden hingegen sind loyal, weniger wechselwillig, weniger preissensibel und sie bringen weniger Dienstleistungsaufwand mit sich. Wir können doch Herausforderungen der Neuzeit – wie zum Beispiel veränderte Erwartungshaltungen, Digitalisierung oder den hohen Informationsstand – nicht mit Werkzeugen aus der Steinzeit, sprich: Kundenzufriedenheit, begegnen. Wir müssen größer und manche Dinge neu denken.
Für Kundenbegeisterung haben Sie eine Formel entwickelt: B = E + X. Können Sie die einzelnen Bestandteile kurz erklären?
Rational betrachtet ist Begeisterung nichts anderes als ein strategisches Spiel mit der Erwartungshaltung des Kunden. Erwartungshaltungen bestimmen unsere Realität. Das B steht für Begeisterung, das E für Erwartungshaltung und das X für das entscheidende Momentum, die begeisternde Aktion, die über die Erwartungshaltung des Kunden hinausgeht. Das kann die berühmte Extrameile sein, das Alleinstellungs- beziehungsweise Differenzierungsmerkmal oder eben die unerwartete Aktion, die im Kunden das „Wow“ hervorruft!
Eigentlich wollen Sie gar keine Kunden, sondern Fans. Worin unterscheidet sich der Fan vom Kunden?
Auf den Punkt gebracht: Kunden muss man locken, Fans kommen von alleine. Kunden geben ihr Geld, Fans geben ihr Herz. Kunden sind Kritiker, Fans sind Werbeträger. Und Kunden reklamieren, Fans verzeihen.
Ein weiteres Ihrer Credos lautet: Nicht Prinzipien bewegen die Welt, sondern Persönlichkeiten. Der größte Begeisterungsfaktor ist demnach der Mensch. Wie gelingt es Menschen, andere zu begeistern?
Indem ich als erstes anerkenne, dass ich die Summe meiner Signale bin, die ich ausstrahle. Keiner lässt sich doch von einem Typen begeistern, der mit der Körpersprache eines depressiven Regenwurms oder der Ausstrahlung einer schweinsledernen Aktentasche durch die Gegend läuft. Die richtige Einstellung ist entscheidend. Wenn ich selbst nicht – zumindest weitestgehend – hinter einer Idee, einer Unternehmung oder einer Dienstleistung oder vielleicht sogar einer ganzen Branche stehe, wird es schwierig, andere dafür zu begeistern. Dann lasse ich es lieber bleiben oder übergebe die Präsentation einem anderen, der ein gesünderes Verhältnis zu dem Ganzen hat.
Ich als Personaldienstleister muss akzeptieren, dass der Wind sich wirklich gedreht hat und sich im Grunde nicht mehr der Bewerber beim Personaldienstleister bewirbt, sondern umgekehrt. Darauf muss ich meine ganze Strategie ausrichten: Die brauchen uns nicht mehr, aber wir sie. Damit haben sicherlich noch so manche ihre Probleme.
Lassen sich Menschen immer auf die gleiche Art begeistern? Oder gibt es je nach Charakter Unterschiede? Auf Humor zum Beispiel reagieren ja nicht alle gleich. Welche Mittel lassen sich einsetzen, um zu begeistern?
Ich habe mir mal den Spaß erlaubt, vier unterschiedliche Begeisterungstypen in Unternehmen zu definieren und bin rausgekommen bei Mumien, Brandstiftern, Blümchen und Raketen. Jeder von ihnen ist speziell und will anders angesprochen werden, aber – und das ist das Schöne – sie alle haben ein gemeinsames Grundbedürfnis und das ist der Wunsch nach Wertschätzung. Wertschätzende Kommunikation ist gleich begeisternde Kommunikation und diese beginnt immer auf der Seins-Ebene. Nicht „Das hast Du gut gemacht“, sondern „Du bist ein wichtiger Partner“ oder „Du bist eine entscheidende Säule in meinem Unternehmen“ oder „Du bist eine Rakete“. Das geht richtig tief und wirkt nachhaltig. Und wenn Sie das Thema Humor ansprechen: Humor ist immer gut. Humor ist ein Zeichen von Intelligenz. Wer lacht, hat verstanden. Wenn Menschen nicht lachen könnten, würden sie durchdrehen. Und ganz nebenbei: Wer nicht lachen kann, sollte kein Geschäft eröffnen.
Der Stimme kommt bei unserer Wirkung auf andere Menschen eine besondere Bedeutung zu. Wie klingt eine begeisternde Stimme? Und angenommen, meine Stimme klingt nicht begeisternd – kann ich daran etwas ändern?
Die Stimme kann man trainieren wie eine Sportart. Wer sich zum Beispiel die Stimme von Dr. Markus Merk, dem damaligen Weltschiedsrichter und heutigen Sky-Kommentator anhört, der wird feststellen, dass man allein mit Stimmtraining eine ganze Menge zum Positiven verändern kann. Viele gehen davon aus, die menschliche Stimme sei dazu da, um Informationen zu transportieren. Das stimmt aber nur bedingt. Sie wurde vom Schöpfer so konstruiert, dass sie Stimmungen beim Gegenüber erzeugen kann wie zum Beispiel Vertrauen, Glaubwürdigkeit, Souveränität, Freude, Leidenschaft. Eine begeisternde Stimme hat somit, wer damit Emotionen erzeugen kann. Man muss nur schauen, welche Summen die Automobilindustrie ins Sounddesign ihrer Fahrzeuge steckt. Dort hat man früh erkannt, dass Geräusche mit Emotionen verknüpft sind und folglich Kaufentscheidungen beeinflussen können.
In der Zeitarbeitsbranche müssen sich Personaldienstleister bereits jetzt und in Zukunft erst recht bei den Bewerbern, also den Zeitarbeitnehmern, bewerben. Was können Personaldienstleister tun, um Bewerber für sich zu begeistern?
Fangen wir erst mal mit den grundlegenden Painpoints an: Ich als Personaldienstleister muss akzeptieren, dass der Wind sich wirklich gedreht hat und sich im Grunde nicht mehr der Bewerber beim Personaldienstleister bewirbt, sondern umgekehrt. Darauf muss ich meine ganze Strategie ausrichten: Die brauchen uns nicht mehr, aber wir sie. Damit haben sicherlich noch so manche ihre Probleme. Unabhängig von der fragwürdigen Gestaltung der ein oder anderen Annonce habe ich aber auch hin und wieder den Eindruck, dass manch Personaldienstleister seine Firma im Gespräch nicht wirklich gut verkaufen kann. Aber das ist wichtig. Warum mit uns? Wo sind wir Spezialist? Was sind unsere Mehrwerte, die ich Dir, lieber Bewerber, zu bieten habe? Was sind unsere Alleinstellungsmerkmale auf dem Markt? Wo sind wir richtig gut aufgestellt? Im Endeffekt geht es immer darum, Gründe zu liefern, warum der Bewerber zum Personaldienstleister und nicht zum Endunternehmen gehen soll. Überzeugende Argumente können ein hoher Auftragsbestand und damit die Einsatzvielfalt bei unterschiedlichsten Kunden und Branchen sein oder die Beratung im eigenen Auftritt und in der Gestaltung des Werdegangs. Oftmals bekommt die anfängliche Begeisterung des Bewerbers auch einen Dämpfer, wenn das Gegenüber im Gespräch plötzlich beginnt, über das Gehalt des Bewerbers zu feilschen. Das empfinden viele Bewerber aus nachvollziehbaren Gründen als etwas unsexy. Und: Ein Personaldienstleistungsunternehmen braucht selbstverständlich eine erstklassige Reputation, die Arbeitgeber-Markenstrategie muss authentisch sein und man muss offen sein für neue Werkzeuge, sprich: soziale Medien. Die junge Generation will woanders abgeholt werden als noch vor ein paar Jahren.
Im Rahmen des 12. ES-Unternehmerforums am 17. April 2018 in Bad Nauheim hält Paul Johannes Baumgartner den Vortrag „Das Geheimnis der Begeisterung“. Alle Informationen zur Veranstaltung stehen hier für Sie bereit.
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