09.08.2022 Redaktion arbeitsblog

New Work und Kommunikation: Herausforderung oder Chance?

  • Die Generation Z hat noch ihr komplettes Arbeitsleben vor sich. Entsprechend möchten die Nachwuchskräfte gestalten, statt den Status quo hinzunehmen. Aber auch erfahrene Mitarbeitende stellen sich Fragen wie „Wo will ich hin? Wie lange noch? Und erreiche ich, was ich mal angestrebt habe?“
  • Arbeitgeber stehen dementsprechend vor der Herausforderung, sich den neuen Anforderungen anzupassen. Denn wer auf alte Muster und Strategien aus vergangenen Zeiten setzt, wird vor dem Hintergrund des anhaltenden Fachkräftemangels auf Dauer nicht konkurrenzfähig bleiben.
  • Wie kann sich die Personaldienstleistung authentisch als das präsentieren, was sie ist – eine Branche mit vielen Chancen und Vorteilen für interne sowie externe Mitarbeitende? Und wie können Personaldienstleister ihre Zielgruppen erreichen und ansprechen?
  • Über Herausforderungen auf den Gebieten New Work, Marketing und Kommunikation haben wir mit Jens Issel, Fachbereichsleiter Kommunikation beim Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ), gesprochen.

arbeitsblog: Herr Issel, der Arbeitsmarkt befindet sich im Wandel und die Auswirkungen sind auch in der Personaldienstleistung spürbar. Welche Herausforderungen wird die Branche in den kommenden Jahren meistern müssen?

Jens Issel: Die größte Herausforderung wird darin bestehen, die aufkommenden Problemstellungen als Chance zu sehen und nicht als Hemmschuh. Unsere Welt ist gerade so sehr im Wandel, dass Veränderung zum Tagesgeschäft gehört. Für Personaldienstleister grundsätzlich nicht neu. In der Intensität jedoch durchaus speziell.

Wenn Sie mich nach den konkreten Top-3-Challenges fragen:

  1. Diversität und Individualisierung auf Seiten der Arbeitnehmer und der damit verbundene Anspruch, jedem einzelnen gerecht zu werden. Das ist ganz schön aufwendig und schließt die Frage an, wie flexibel darf und muss ein Unternehmen und Arbeitgeber sein?
  2. Der Glaube, dass wir die Zukunft der Arbeitswelt auf Basis der Erfahrung der letzten Jahrzehnte gestalten werden. Ich habe vor meiner Arbeit beim iGZ für verschiedenste Kunden der Technologiebranche gearbeitet – und was ich beobachte, ist, dass Innovationskraft und Risikobereitschaft bei den jüngeren Generationen die überzeugenderen Argumente sind als Tradition und Solidität. Das gilt auch für Arbeitgebermarken. Die Frage ist weniger „Wo kommen wir her?“, sondern viel mehr „Wo werden wir in drei oder zehn Jahren sein?“ Zukunftsfähigkeit ist das Qualitätskriterium.
  3. Und der dritte Punkt wird niemanden überraschen. Der Mangel an Arbeitskräften erfordert einerseits ein hohes Maß an Kreativität, aber auch Flexibilität. Wenn die Gen Z Sicherheit und Abwechslung zugleich fordert, dann klingt das im ersten Moment paradox. Wenn dann noch ein hoher Anspruch an Entlohnung hinzukommt, bei optimaler Work-Life-Balance, scheint es unmöglich.

Aber das Gute ist: Es gibt Wege, die den Umgang damit ermöglichen, und es wird nicht das Ende der Entwicklung sein. Ich las die Tage einen Kommentar mit dem Tenor ‚Wofür soll die junge Generation noch nach Karriere und finanziellem Aufstieg streben? Selbst die Gutbezahlten können sich keine Eigentumswohnung, geschweige denn den Hauskauf leisten.‘ Da ist eine Menge dran. Auch in der Personaldienstleistung müssen wir neue Perspektiven und Sinnstiftung finden und vermitteln.

Als interner Mitarbeitender in einem Zeitarbeitsunternehmen ist man Menschenentwickler und Ermöglicher.

– Jens Issel

Jens Issel (Foto: iGZ)

arbeitsblog: New Work ist derzeit in aller Munde. Welche Erwartungen haben interne Mitarbeitende in der Personaldienstleistung? Wie kann es gelingen, Nachwuchskräfte für die Branche zu gewinnen?

Jens Issel: New Work ist ein breites Feld und betrifft ja nicht nur die Nachwuchskräfte. Im Gegenteil. Auch für erfahrene Mitarbeitende stellen sich Fragen „Wo will ich hin? Wie lange noch? Und erreiche ich, was ich mal angestrebt habe?“. Die letzten Jahre im Job ausspannen, ist für viele keine Option mehr. Auch hier geht es um Zufriedenheit. Das ist keine Generationenfrage. Im Nachwuchsbereich merken wir den Druck vielleicht nur mehr. Da ist eine Generation, die noch ihr komplettes Arbeitsleben vor sich hat und bereit ist, zu gestalten statt hinzunehmen.

Was allerdings auch das letzte Zeitarbeitsunternehmen verstehen muss: Es geht um faire Zeitarbeit. Um Zeitarbeit, die die Menschen und deren Entwicklung in den Mittelpunkt stellt, tarifvertraglich entlohnt und die Mitarbeitenden langfristig entwickelt. Unsere Branche kann sich keine schwarzen Schafe erlauben.

– Jens Issel

Aber unabhängig davon, ob wir über Arbeitsorte, Arbeitsweisen und Struktur, Gehälter und Arbeitszeiten sprechen, scheint mir bei New Work eins grundlegender denn je: Der Purpose, die Sinnhaftigkeit, der Wert unserer Arbeit und unserer investierten Energie. Und in diesem Bereich haben Zeitarbeitsunternehmen eine Menge zu bieten:

  1. Der soziale Aspekt: Wer beispielsweise als Disponent oder Recruiter in einem Zeitarbeitsunternehmen arbeitet, schafft täglich Perspektiven. Die Zeitarbeit bringt Langzeitarbeitslose wieder in den Job, integriert Migranten in den Arbeitsmarkt, schafft Perspektiven, indem Sie Quereinsteigern neue Möglichkeiten gibt und neue Berufserfahrungen ermöglicht. Als interner Mitarbeitender in einem Zeitarbeitsunternehmen ist man Menschenentwickler und Ermöglicher.
  2. Die individuelle Flexibilität: Für Nachwuchskräfte ist es wichtiger denn je, Beruf und Privatleben in Einklang zu bringen. Sei es, weil die Familie im Vordergrund steht oder sich der eigene Wert weniger über Arbeit definiert. Diese Flexibilität lässt sich durch Zeitarbeit realisieren. Flexibilität ergibt sich nicht nur auf Kundenseite, sondern auch für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
  3. Der wirtschaftliche Aspekt: Zeitarbeit wird häufig als unattraktiv deklariert, weil personelle Ressourcen nur punktuell und zeitlich begrenzt zum Einsatz kommen. Aber Wertschöpfung und ressourcenschonender Einsatz zeigen sich in Zeiten des Personalmangels auch in der Flexibilität der Ressource Mensch, Zeit und Kompetenz. Wer genau hinschaut, wird feststellen, dass in diesen Zeiten Flexibilität unsere Wirtschaft am Laufen hält und den Wohlstand unserer Gesellschaft mit sichert.

Was allerdings auch das letzte Zeitarbeitsunternehmen verstehen muss: Es geht um faire Zeitarbeit. Um Zeitarbeit, die die Menschen und deren Entwicklung in den Mittelpunkt stellt, tarifvertraglich entlohnt und die Mitarbeitenden langfristig entwickelt. Unsere Branche kann sich keine schwarzen Schafe erlauben.

arbeitsblog: Sie sprechen die Positionierung der Branche an. Die Außendarstellung ist zum einen im Zusammenhang mit der Rekrutierung neuer interner Mitarbeitender wichtig. Dieser Aspekt spielt allerdings auch dann eine wichtige Rolle, wenn externe Fachkräfte gewonnen oder Kundenunternehmen überzeugt werden sollen. Wie sehen Sie das – investieren Personaldienstleister genug in Marketingmaßnahmen? Und was können sie in Zukunft besser machen?

Jens Issel: Wer im Marketing arbeitet, fragt sich jeden Tag: „Wie bekomme ich Aufmerksamkeit?“ Die Ur-Form des Inbound Marketing lautet „Tue Gutes und rede darüber“. Wer sich allerdings mit der menschlichen Psyche auseinandersetzt, wird schnell feststellen, dass der Mensch so nicht tickt und wir die Zielgruppe damit kaum erreichen. Warum? Die Zeitarbeitsbranche ist letzten Endes ein Opfer der heutigen Aufmerksamkeitsökonomie. Wir nehmen immer häufiger nur noch Extreme wahr. Der Mensch stimuliert sich selbst über Skandale, emotionalisiert damit teilweise an Sachargumenten vorbei, die zwar richtig sein mögen, die eigene Sicht auf die Dinge jedoch ungemein verkomplizieren würden. Differenzierung verkompliziert. Es ist doch viel leichter, die Zeitarbeit zu stigmatisieren, als sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen und womöglich die positiven Aspekte zu identifizieren und als Politiker zu fördern. Da reicht es dann nicht mal mehr zur Unterscheidung zwischen Arbeitnehmerüberlassung und Werkvertrag.

Die Zeitarbeitsbranche ist letzten Endes ein Opfer der heutigen Aufmerksamkeitsökonomie.

– Jens Issel

Dagegen müssen wir als Branche jeden Tag angehen. Wie? Wir sind eine große Branche mit einer großen Anzahl von Mitarbeitenden. Ich habe beobachtet, dass persönliche Erfahrungen am ehesten den Zugang zu unserer Branche ermöglichen. Plattitüden und Vorurteile halten spätestens dann nicht mehr stand, wenn wir jemandem gegenüberstehen, der persönlich andere Erfahrungen gemacht hat, bestenfalls noch näher dran war. Da sind wir in der Welt der Corporate Influencer – Mitarbeitende, die ihre Erfahrungen authentisch rüberbringen und aus Überzeugung für das einstehen, worin sie täglich ihre Sinnstiftung sehen. Da können viele Personaldienstleister noch viel mehr tun.

Menschen vertrauen Menschen. Unternehmen sollten nicht irgendwelche Marken positionieren, sondern sich selbst. Sie müssen vermitteln, woran sie selbst glauben. Die Zeit der rosaroten Elefanten im Marketing ist längst vorbei.

– Jens Issel

arbeitsblog: Welche Marketingkanäle sind derzeit im Hinblick auf das Recruiting wichtig und wie wird sich deren Bedeutung aus Ihrer Sicht in den kommenden Jahren entwickeln? Wie kann die gezielte Ansprache der nächsten Generation gelingen?

Jens Issel: Corporate Influencer habe ich bereits erwähnt. Digitale Kanäle jeglicher Art werden wir auch weiterhin im Blick haben müssen. Ich warne allerdings vor Schnellschüssen in Wild-West-Manier. Die Vielzahl der Kanäle und Möglichkeiten ist erdrückend und Massen kaum noch zu erreichen. Der Markt ist sehr divers und gerade für Personaldienstleister ohne eigene Marketingabteilung kaum noch zu schaffen.

Ich empfehle daher ‚Back to the roots‘. Menschen vertrauen Menschen. Unternehmen sollten nicht irgendwelche Marken positionieren, sondern sich selbst. Sie müssen vermitteln, woran sie selbst glauben. Die Zeit der rosaroten Elefanten im Marketing ist längst vorbei.

Der Faktor Zeit ist auch deshalb einer, weil Personaldienstleister aktuell mehr Zeit in Sourcing und individuelle Ansprache stecken müssen. Kurzer Perspektivwechsel: Als Arbeitnehmer möchte ich meine Zeit effizient einsetzen. Ich habe beruflich wie privat nichts zu verschenken. Und dann kontaktieren Sie mich über Mail, LinkedIn & Co., bieten mir eine Position als Leiter Marketing im Kosmetikunternehmen an und ich merke, dass Sie sich nicht mal mit meiner Vita beschäftigt haben. Ärgerlich für mich und auch für Sie. Beide haben wir Zeit verschwendet.

Wenn die Ressourcen knapp werden, neigen einige zu Panikreaktionen und gehen auf Masse. Ich halte das für kontraproduktiv. Wertschätzung ist gefragt, noch vor dem ersten Tag. Da bieten sich die zahlreichen Onlineplattformen doch an. Online Advertising, Content Marketing & Co. sehe ich als notwendige Begleitmusik, um den persönlichen Kontakt zu unterfüttern.

arbeitsblog: Ende August stehen die iGZ-Summits zu den Themen New Work und Marketing an. Was hat den Verband dazu motiviert, diese neuen Formate ins Leben zu rufen? Und für wen sind die Veranstaltungen interessant und auf welche Highlights dürfen sich Besuchende freuen?

Jens Issel: Als iGZ bedienen wir natürlich die Interessen unserer Mitglieder. Wir sehen uns aber auch als Vorreiter und Treiber. Diese Branche ist immer im Wandel gewesen. Unser Anspruch ist, ihn mit der Branche zu gestalten. Daher wird es einerseits um Inspiration gehen, wie wir diese neue Arbeitswelt gestalten können, aber auch um handfeste Dinge, die direkt in den Arbeitsalltag integriert werden können, wie Suchmaschinenoptimierung, Videodreh, Anzeigenformate, Neuromarketing und vieles mehr. Die Location lädt an jeder Ecke ein, mitzumachen. Wir wollen zusammen mit unseren Mitgliedern und Speakern neue Höhen in der Personaldienstleistung erklimmen. Dafür haben wir sehr gute Referenten gewonnen, die unserer Branche weiterhelfen werden.

Eins ist klar: Diese Branche ist agil, dafür braucht sie das passende Mindset und das passende Handwerkszeug. Das wollen wir an die Hand geben. Übrigens nicht nur iGZ-Mitgliedern. Auch Nichtmitglieder sind herzlich willkommen und können sich hier gerne anmelden.


Jens Issel

Jens Issel ist Fachbereichsleiter Kommunikation beim Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) in Münster. Mit seinem Team verantwortet er die Arbeitsbereiche Medien, Onlinepositionierung, Veranstaltung, Marketing und Markenentwicklung. Zuvor war er in leitender Funktion bei verschiedenen nationalen und internationalen Agenturen mit dem Schwerpunkt Technologie und Zukunftskommunikation tätig. Jens Issel bringt mehr als zehn Jahre Erfahrung in den Bereichen Markenpositionierung, Digital Marketing und Innovationskommunikation mit.

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