21.11.2023

Nachwuchskräfte frühzeitig binden: Zeitarbeit für Studierende

  • In Zeiten des anhaltenden Personalmangels ist es für Unternehmen zunehmend wichtiger, Mitarbeitende erfolgreich zu rekrutieren und sie langfristig zu binden.
  • Besonders viel Potenzial bietet die erfolgreiche Ansprache von jungen Akademikerinnen und Akademikern. Doch viele Unternehmen tun sich damit schwer, die Nachwuchskräfte zu erreichen und sie für sich zu begeistern.
  • Kann Zeitarbeit hier eine Brücke schlagen? Dieser Frage widmet sich Lünendonk & Hossenfelder in einem aktuellen Whitepaper.
  • Wir wollten mehr über die Hintergründe erfahren und sprachen mit Thomas Ball, Analyst für Facility Services, Industrieservice und Zeitarbeit bei Lünendonk.

arbeitsblog: Das Thema Arbeitnehmermarkt ist zurzeit in aller Munde. Die Entwicklung hin zum Arbeitnehmermarkt wird sich auch in nächster Zeit vermutlich verstärken. Was bedeutet das aus Ihrer Sicht für Unternehmen, konkret mit Blick auf die Nachwuchskräftesicherung?

Thomas Ball

Thomas Ball: In der Tat ist das eine ganz spannende und zentrale Entwicklung. Denn für die Unternehmen, die jeder kennt – etwa die DAX-40-Unternehmen –, ist es vergleichsweise einfach, Stellen zu besetzen. Kleinere Unternehmen hingegen haben es zunehmend schwerer. Das trifft insbesondere auf Bereiche zu, die für junge Menschen nicht wirklich greifbar sind, zum Beispiel Facility Management oder Zeitarbeit. Außerdem schauen Nachwuchskräfte sehr genau, um was für ein Unternehmen es sich handelt. Sie sehen sich die Branche und ihre Aufgaben an und hinterfragen, ob das alles zu ihnen passt. Wenn diese Dinge nicht stimmen, wechseln junge Menschen auch schnell den Arbeitgeber. Man kann also sagen, die Bindung zum Unternehmen lässt nach.

Unternehmen müssen erklären, was ihre Firma macht, und die Eintrittsschwelle für potenzielle Mitarbeitende senken. Das ist unserer Ansicht nach einer der Gründe, weshalb Zeitarbeit für Studierende ganz spannend ist.

– Thomas Ball

arbeitsblog: Hat das etwas damit zu tun, dass sich die Anforderungen der Berufseinsteigerinnen und -einsteiger in den vergangenen Jahren geändert haben?

Thomas Ball: Ich weiß nicht, ob sich die Anforderungen wirklich geändert haben. In der Debatte rund um Purpose und Co. lese ich oft heraus, Gehalt und Karriere seien nicht mehr so wichtig wie früher – das nehme ich überhaupt nicht so wahr. Ein gutes Gehalt ist nach wie vor sehr wichtig. Aber das Anforderungsfeld ist komplexer geworden. Eine Rolle spielen zum Beispiel Fragen wie: „Wie lange brauche ich zu meinem Arbeitgeber?“, „Wie spannend ist mein Arbeitsfeld?“ oder „Welchen Impact auf gesamtgesellschaftliche Themen hat das Unternehmen?“

Das heißt in der Konsequenz nichts anderes, als dass sich gerade unbekannte Unternehmen mehr um die jungen Menschen bemühen müssen. Sie müssen erklären, was ihre Firma macht, und die Eintrittsschwelle für potenzielle Mitarbeitende senken. Das ist unserer Ansicht nach einer der Gründe, weshalb Zeitarbeit für Studierende ganz spannend ist. Während sie zu Beginn ihrer Studienzeit vor allem Geld brauchen, um auf eigenen Beinen zu stehen, spielt für Nachwuchskräfte in der Endphase ihrer akademischen Ausbildung zunehmend die Verbindung zu ihrer Fachrichtung eine wichtige Rolle. In beiden Fällen kann Zeitarbeit ein gutes Mittel sein. Denn zum einen verdienen die Studierenden damit ziemlich schnell eigenes Geld – und zum anderen lernen sie bereits frühzeitig potenzielle Arbeitgeber kennen. Hier bietet Zeitarbeit die Möglichkeit, frühzeitig Beziehungen aufzubauen.

Über Zeitarbeit kann der Arbeitgeber die Motivation und die Soft-Skills des Mitarbeitenden kennenlernen und ein Gefühl bekommen, wer zum Unternehmen passt.

– Thomas Ball

arbeitsblog: Gibt es darüber hinaus noch etwas, das die Zeitarbeit gerade für Studierende besonders interessant macht?

Thomas Ball: Es ist natürlich schwer, hier Einzelbeispiele zu nennen. Grundsätzlich kann man sagen, dass Zeitarbeit eine gute Gelegenheit bietet, spannende Unternehmen kennenzulernen. Wenn ich in meine eigene Biographie zurückschaue, habe ich an der Frankfurter Universität studiert und dann einen Nebenjob über den Career Center der Uni gefunden. Später wurde ich von dem Unternehmen übernommen. Das Career Center der Uni Frankfurt war nichts anderes als eine Zeitarbeitsagentur. Ich habe damals einfach etwas gesucht, um die Semesterferien zu überbrücken. Was alles im Hintergrund abgelaufen ist, war mir relativ egal. Aber so habe ich es geschafft, in ein Unternehmen reinzuschauen, bei dem ich mich per Stellenanzeige nie beworben hätte – die Hürde wäre zu groß gewesen. Denn bei einer Bewerbung schwingt auch immer eine gewisse Verbindlichkeit mit. Wenn man sich bewirbt, dann will man auch im Unternehmen bleiben. Wenn sich nach einem halben Jahr herausstellt, dass die Stelle doch nicht so gut passt, ist das wiederum vermeintlich schlecht für den Lebenslauf. Wir kennen diese ganzen Themen.

Bei der Zeitarbeit ist es anders. Gerade junge Menschen können verschiedene Jobs ausprobieren und neue Bereiche kennenlernen. Ein Nebenjob über Zeitarbeit kann dann auch eine Alternative zum Praktikum sein, bei der Studierende direkt einen Beitrag zur Wertschöpfung des Unternehmens leisten auch sehr genau testen können, ob ihnen die Aufgaben und der Job liegen oder nicht.

arbeitsblog: Unternehmen haben aber weiterhin das eingangs erwähnte Problem, eine Bindung herzustellen und Mitarbeitende zu halten, oder? Wie kann Zeitarbeit denn ihnen diesbezüglich einen Vorteil verschaffen?

Thomas Ball: Zuerst sollte man die Art definieren, wie Zeitarbeit eingesetzt werden soll. Unternehmen besetzen über Zeitarbeit oftmals Stellen, bei denen die Einarbeitungszeit gering ist, etwa klassische Assistenzstellen. Über Zeitarbeit kann der Arbeitgeber die Motivation und die Soft-Skills des Mitarbeitenden kennenlernen und ein Gefühl bekommen, wer zum Unternehmen passt. Es ist niedrigschwellig – und wenn beide Seiten dabei feststellen, dass die Zusammenarbeit gut funktioniert, ist das Abbruchrisiko deutlich geringer. Deshalb ist das für beide Seiten eine Win-Win-Situation und das ist auch der Grund, warum immer mehr Unternehmen Personaldienstleister als Partner engagieren: Für sie steckt ein klarer Mehrwert drin. Dieser rechtfertigt auch die Mehrausgaben, die durch eine Vermittlung entstehen.

arbeitsblog: Das klingt doch tatsächlich nach einer Win-Win-Situation. Lassen sich daraus bereits erste allgemeine Erkenntnisse über positive Arbeitsmarktentwicklungen durch Zeitarbeit bei Studierenden ableiten – oder ist es dafür noch zu früh?

Thomas Ball: Es ist aktuell tatsächlich schwer, die Entwicklung statistisch zu erfassen – insbesondere, weil der Anteil der Studierenden, die über Zeitarbeit gehen, noch relativ gering ist. Zudem befinden wir uns noch in einer relativ frühen Phase. Wir können uns lediglich die Umsatzzahlen von Unternehmen anschauen, die in dem Bereich tätig sind: Academic Work, jobvalley oder Zenjob etwa erzielen inzwischen Umsätze im zweistelligen Millionenbereich, das ist sehr viel für dieses Segment. So klein ist die Entwicklung dieses Marktes also nicht. Es ist definitiv ein Bereich mit Entwicklungspotenzial. In unserem Whitepaper wollen wir es aus der Helikopter-Perspektive betrachten und informieren, warum das ein spannendes Thema ist.

Zeitarbeit ist als Branche vom Geschäftsmodell her sehr agil, passt sich sehr schnell an veränderte Rahmenbedingungen an und entwickelt Lösungen, die sich am Markt schnell etablieren.

– Thomas Ball

arbeitsblog: Ist dieses Modell für bestimmte Studienrichtungen, aber auch bestimmte Unternehmen (z.B. je nach Branche, Größe, Bedarf etc.) besonders empfehlenswert? Und umgekehrt, gibt es Branchen, in denen Sie – basierend auf den Erkenntnissen des Whitepapers – eher davon abraten würden?

Thomas Ball: Das Thema hat grundsätzlich ein sehr breites Potenzial, aber natürlich gibt es insbesondere die stark regulierten Segmente, die sich traditionell etwas weniger eignen – zum Beispiel Lehramt-Studiengänge. Hier ist der Weg vorgezeichnet, da braucht es keinen Vermittler. Oder allgemein gesagt: Je klarer der Markt strukturiert ist, umso weniger brauche ich jemanden, der mir Orientierung gibt. Ein anderes Beispiel hierfür ist die Luftfahrt, in der es nur eine überschaubare Anzahl potenzieller Arbeitgeber gibt.

Wenn ich aber in die Automobilindustrie möchte und die Bewerbung bei den großen, bekannten Unternehmen nicht erfolgreich war, ist es von Vorteil, durch Zeitarbeit verschiedene Automotive-Firmen kennenzulernen. In solchen komplexen Bereichen mit hoher Nachfrage, können Personaldienstleister die Verbindung herstellen.

arbeitsblog: Gibt es noch weitere Themen, die Sie im Zusammenhang mit der Zeitarbeit für Studierende ansprechen möchten?

Thomas Ball: Ja, ich würde gerne auf den Aspekt der Flexibilität eingehen. Es gibt zum Beispiel viele Personaldienstleister, die ihre Prozesse stark digitalisiert haben und dadurch für alle Beteiligten einen Mehrwert bieten. Studierende kommen über die Onlineplattform des Personaldienstleisters schnell und unkompliziert an Jobs – etwa auch an Wochenendschichten – und Arbeitgeber können kurzfristig ihren Bedarf decken.

Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist mir persönlich sehr wichtig. Zeitarbeit ist als Branche vom Geschäftsmodell her sehr agil, passt sich sehr schnell an veränderte Rahmenbedingungen an und entwickelt Lösungen, die sich am Markt schnell etablieren. Das sehen wir aktuell im Bereich Zeitarbeit für Studierende, aber auch was die Weiterbildung von Arbeitskräften angeht – oder die Vermittlung der sogenannten „Silver Worker“, die ihr Berufsleben eigentlich hinter sich haben, aber noch fit sind. Es gibt also unterschiedlichste Bereiche, in denen es auch in Zukunft sehr spannend bleibt.

arbeitsblog: Vielen Dank für das Gespräch!


Kontakt

0911974780 info@kontext.com