17.07.2023 Redaktion arbeitsblog
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Kurz vor knapp: Tarifvertrag Inflationsausgleichsprämie für den M+E-Bereich abgeschlossen!

  • Nun also doch – in der Zeitarbeitsbranche sind die Tarifvertragsverhandlungen über die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie kurz vor dem Auslaufen des TV BZ ME ab dem 30.06.2023 nach einem zähen Ringen noch erfolgreich abgeschlossen worden.
  • Ohne eine Verständigung hätten Zeitarbeitnehmer, die über den neunten Einsatzmonat hinaus in einem Kundenbetrieb der M+E-Industrie überlassen werden, einen Anspruch auf eine Gleichstellung hinsichtlich des Entgelts (equal pay) geltend machen können. Für das erzielte Verhandlungsergebnis wurde eine Erklärungsfrist bis zum 06.07.2023 vereinbart; Schweigen gilt dabei als Zustimmung. Soweit bekannt, haben die Tarifvertragsparteien keine Erklärung abgegeben.
  • Im Blogbeitrag ordnet Dr. Alexander Bissels die Entwicklung ein und geht auf die möglichen Konsequenzen für Zeitarbeitsunternehmen ein.

Letztlich haben sich BAP, iGZ und die IG Metall auf die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie in Höhe von maximal 2.300,00 EUR für in Vollzeit beschäftigte Zeitarbeitnehmer verständigt, zahlbar ab Januar 2024 (300,00 EUR) und sodann monatlich jeweils weitere 200,00 EUR. Teilzeitbeschäftigte erhalten eine anteilige Inflationsausgleichsprämie.

Die Höhe der Inflationsausgleichsprämie kann auf den Anspruch eines vergleichbaren Arbeitnehmers im Kundenbetrieb begrenzt werden. Das Zeitarbeitsunternehmen muss dem Beschäftigten einen Nachweis über die entsprechende Regelung im Kundenbetrieb erbringen. Es handelt sich damit um eine „Quasi-Deckelung“, die vom Personaldienstleister mit einer Bestätigung des Kunden über die dort gewährte Inflationsausgleichsprämie gegenüber dem Mitarbeiter geltend gemacht wird bzw. werden muss.

Voraussetzung für die Inflationsausgleichsprämie ist eine Betriebszugehörigkeit von fünf Monaten und eine Einsatzzeit von einem Monat in einem Betrieb der M+E-Industrie. Eine bereits (freiwillig) von dem Zeitarbeitsunternehmen gezahlte oder noch zu zahlende Inflationsausgleichsprämie kann auf die tariflich vorgesehene Inflationsausgleichsprämie angerechnet werden. Im Übrigen ist eine Verrechnung ausgeschlossen. Die Inflationsprämie ist zusätzlich zum Stundenentgelt nach den jeweiligen Entgelttarifverträgen und den Branchenzuschlägen nach dem TV BZ ME sowie sonstigen vereinbarten Vergütungsbestandteilen zu erbringen.

Zusätzlich haben sich die Tarifvertragsparteien darauf verständigt, dass ab dem 01.09.2023 ein Branchenzuschlag in Höhe von 15 Prozent ab dem ersten Einsatztag (vormals nach der vollendeten sechsten Woche) in einem M+E-Kundenbetrieb gezahlt wird.

Die Kunden sind mit ins Boot zu holen – der Tarifvertrag lässt noch genügend Zeit dafür zu (zumindest für die Inflationsausgleichsprämie). Diese sollte von den Zeitarbeitsunternehmen wohl genutzt werden, möchten diese nicht auf den erhöhten Kosten des Tarifvertrags sitzen bleiben.

– Dr. Alexander Bissels


Dr. Alexander Bissels

Kommentar von Dr. Alexander Bissels:

Der Tarifabschluss wird für die Zeitarbeitsbranche teuer werden, nachdem diese bereits mit zuletzt recht hohen linearen Entgelterhöhungen zu kämpfen hat. Ob die Inflationsausgleichsprämie (und der Branchenzuschlag) über die von dem Kunden zu zahlenden Verrechnungssätze zumindest wirtschaftlich „durchbelastet“ werden können, ist fraglich und dürfte maßgeblich vom (vertrieblichen) Verhandlungsgeschick der Zeitarbeitsunternehmen abhängen sowie von einer angekündigten Anpassung des TV LeiZ abhängen. Die Kunden sind folglich mit ins Boot zu holen – der Tarifvertrag lässt noch genügend Zeit dafür zu (zumindest für die Inflationsausgleichsprämie). Diese sollte von den Zeitarbeitsunternehmen wohl genutzt werden, möchten diese nicht auf den erhöhten Kosten des Tarifvertrags sitzen bleiben. Zeitarbeit wird durch das Verhandlungsergebnis teurer und damit – zumindest aus Kundensicht – unattraktiver gemacht. Ob dieser Umstand dazu führt, dass Kundenunternehmen auf den Einsatz von Zeitarbeitnehmern und die damit verbundene Flexibilität verzichten, bleibt abzuwarten.

Die Tarifvertragsparteien haben zudem eine Übernahme des Inhalts des erzielten Verhandlungsergebnisses für den TV BZ HK und TV BZ TB vereinbart. Es ist folglich davon auszugehen, dass der für die M+E-Branche erzielte Kompromiss auch für die übrigen von der IG Metall repräsentierten Branchen, für die ein TV BZ gilt, maßgeblich sein wird. Inzwischen hat die IG BCE die von ihr abgeschlossenen Branchenzuschlagstarifverträge mit Ablauf des 30.09.2023 gekündigt – Anfang Juli wurde auch hier eine Einigung erzielt. Wie bereits im Vorfeld erwartet, galt auch in diesem Zusammenhang das für den M+E-Bereich erzielte Verhandlungsergebnis als Richtgröße. Die mit der IG BCE getroffene Verständigung entspricht im Wesentlichen derjenigen, die im Vorfeld mit der IG Metall getroffen wurde. Interessant ist dabei insbesondere, dass die Abschaffung der „Wartezeit“ von sechs Wochen, die bislang erfüllt sein müssen, um einen Branchenzuschlag zu erhalten, auch für andere Branchen nunmehr das „Benchmarking“ darstellt und es – über kurz oder lang – damit zu einer Branchenzuschlagspflicht (in den entsprechend tarifierten Bereichen) kommen wird, die ab dem ersten Tag der Überlassung einsetzt.

Gesamtbetrachtend sollte über den Abschluss des Tarifvertrags nicht weiter gehadert oder gezetert werden. Jeder Euro, den der Personaldienstleister in die Hand nehmen muss, tut natürlich (wirtschaftlich) weh, jedoch dürfte auch klar sein, dass es sich die maßgeblich für die Verbände handelnden Personen und Gremien bei den Verhandlungen nicht leicht gemacht haben. Man hört über den Flurfunk, dass die IG Metall mit der Kündigung des gesamten Tarifwerks gedroht hat. Ob ein Eskalationsszenario, an dessen Ende ein equal treatment ab dem ersten Tag des Einsatzes – und zwar „nur“ in der M+E-Branche – gestanden hätte, ist zweifelhaft. Natürlich darf man sich von der Gewerkschaft nicht erpressen lassen; dies gilt auch und insbesondere mit Blick auf die nächsten Tarifvertragsverhandlungen. Möglicherweise ist die harte Verhandlungsführung der IG Metall Folge der aus Sicht der Gewerkschaft unerwarteten „Gesamtschutzentscheidung“ des BAG vom 31.05.2023. So oder so – in Zukunft wird man tarifpolitisch auf Augenhöhe agieren müssen. Man darf sich nicht den Schneid abkaufen lassen. Das Tarifwerk wird so oder so aufgeschnürt werden müssen – spätestens seit der sich auf der Zielgeraden befindlichen Zusammenführung von BAP und iGZ zum GVP. Dies dürfte ein geeigneter Zeitpunkt sein, sich von alten tarifpolitischen Zöpfen, welche auch immer das sein können, zu trennen. Personaldienstleister tun also gut daran, den Blick nach vorn zu richten; ein Lamento über bereits verhandelte, im Zweifel teure Tarifverträge hilft nicht weiter. Hier heißt es jetzt: Augen zu und durch – und vor allem die Kunden mitnehmen!

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