27.02.2018 Christopher Prohl

Im Ton wertschätzend, im Inhalt konfrontierend

  • Für Markus Jotzo – Autor, Vortragsredner und Trainer im Bereich Leadership – steht fest: Wer als Führungskraft immer nett ist, der macht keinen guten Job. Es gibt Situationen, in denen der Chef eine klare Linie vorgeben und Fehler deutlich ansprechen muss
  • Grundsätzlich sollte im Unternehmen eine Arbeitsatmosphäre herrschen, die den Mitarbeitern Selbstwirksamkeit ermöglicht
  • Mitarbeiter entwickeln sich weiter, wenn sie auf gesunde Art und Weise überfordert werden. Das gelingt durch Aufgaben, die anstrengend, aber lösbar sind
  • Führung ist Übungssache – und bis zu einem gewissen Grad lernbar
  • Mitarbeiter sind interne Unternehmensberater. Führungskräfte sollten das nutzen und sich um ehrliches Feedback bemühen
Chefs dürfen schon nett sein, nur eben nicht immer - findet Markus Jotzo, (c) Markus Jotzo

Markus Jotzo weiß, was gute Führungskräfte ausmacht. Er hat zu dem Thema zahlreiche Vorträge gehalten, Seminare geleitet und erfolgreiche Bücher geschrieben. Eines davon trägt den Titel „Der Chef, den keiner mochte – Warum exzellente Führungskräfte nicht nett sind“. Die spannende These haben wir uns von ihm erklären lassen. Weitere Themen des Interviews: der Zusammenhang zwischen Führung und Mitarbeiterkreativität, gesunde Überforderung, die Rolle der Führungskraft als Nervensäge, Feedbackgespräche, die (vermeintlich) motivierende Wirkung von Geld – und die Frage, ob jeder zum Chef geeignet ist.


Herr Jotzo, Sie behaupten, dass exzellente Führungskräfte nicht nett sind. Wieso sind Kumpel-Chefs ein Problem?
Chefs dürfen natürlich nett sein, nur eben nicht immer. Es gibt Situationen, etwa wenn ein Mitarbeiter die grundsätzlichen Werte des Unternehmens verletzt, in denen die Führungskraft eine klare Linie vorgeben und Fehler deutlich ansprechen muss. Die Unterhaltung darf dann keine nette werden, sondern eine tendenziell unangenehme.

Wie sollten Chefs Kritikgespräche gestalten?
Im Ton wertschätzend, im Inhalt konfrontierend. Die Kritik muss inhaltlich auf Zahlen, Daten und Fakten beruhen, aber in einem Ton vorgetragen werden, der sie erträglich macht. Rumgebrülle oder Formulierung wie „schon wieder“ oder „immer noch“ haben in dem Gespräch nichts verloren. Chefs sollten auch keine Angst verbreiten, denn die motiviert – wenn überhaupt – nur kurzfristig. Der Mitarbeiter führt die Aufgabe dann widerwillig aus, steht aber inhaltlich nicht dahinter. Kreative Lösungen, die ein Unternehmen voranbringen, lassen sich so nicht hervorlocken.

Also hat Führung unmittelbare Auswirkungen auf die Kreativität der Mitarbeiter?
Ganz beträchtliche sogar! Kreativ sein heißt immer auch Dinge versuchen, bei denen man vorher nicht weiß, ob sie funktionieren. Die Routinen fehlen, Fehler passieren – da ist vom Chef Toleranz gefragt. Er muss in Kauf nehmen, dass auch mal was für die Tonne produziert wird. Die Einstellung, mit der die Führungskraft einer neuen Idee begegnet, ist entscheidend. Tut er sie kategorisch als Blödsinn ab? Oder zeigt er sich aufgeschlossen und neugierig? Mitarbeiter müssen Lust haben, sich einzubringen. Sie müssen die eigene Selbstwirksamkeit erfahren. Ein guter Chef lässt ihnen dafür, innerhalb eines bestehenden Rahmens, kreative Freiräume.

Wenn ich von Überforderung spreche, meine ich damit keine quantitative – im Sinne von: wir lassen unsere Mannschaft länger arbeiten –, sondern eine qualitative. Zum Beispiel, indem der Mitarbeiter eine Aufgabe erhält, die er bisher noch nicht gemacht hat

– Markus Jotzo über das Konzept der gesunden Überforderung

Was motiviert Mitarbeiter mehr: Selbstwirksamkeit oder Geld?
Die allermeisten Menschen motiviert nicht das Geld, sondern das dauerhafte Gefühl anerkannt, gehört und gefördert zu werden. Natürlich sind Bonuszahlungen nett und werden gern mitgenommen, aber den Ausschlag geben sie letztlich nicht. Eine Arbeitsatmosphäre, die Selbstwirksamkeit ermöglicht, ist viel wichtiger.

Ein weiteres Credo von Ihnen ist: Führungskräfte sollen ihre Mitarbeiter gesund überfordern. Wie funktioniert das?
Grundsätzlich bin ich großer Fan davon, Menschen wachsen zu lassen. Wenn ich von Überforderung spreche, meine ich damit keine quantitative – im Sinne von: wir lassen unsere Mannschaft länger arbeiten –, sondern eine qualitative. Zum Beispiel, indem der Mitarbeiter eine Aufgabe erhält, die er bisher noch nicht gemacht hat. Ich fordere qualitativ etwas mehr von ihm, als er heute kann, traue ihm aber zu, die nötigen Skills zu erlernen. Das ist der gesunde Part der Überforderung: Die Aufgabe ist anstrengend, aber lösbar. Der Mitarbeiter darf, nein: er soll, Fehler machen und daran wachsen. Während des gesamten Prozesses steht ihm idealerweise ein erfahrener Kollege als Mentor zur Seite. Die Aufgabe des Chefs ist es, regelmäßig neue Lernimpulse zu setzen – und dabei ruhig auch ein bisschen Nervensäge zu sein. Es ist beispielsweise wichtig, schon beim Delegieren der Aufgabe einen konkreten Folgetermin zu vereinbaren, bei dem die Arbeits- und Lern-Fortschritte betrachtet werden. Der Mitarbeiter wird sich dadurch mehr anstrengen. Das liegt am menschlichen Bedürfnis, Schmerz zu vermeiden und Freude zu erhalten. Salopp gesagt will der Mitarbeiter beim Folgetermin nicht angemeckert, sondern gelobt werden.

Halten Sie Führung eigentlich für lernbar? Oder anders gefragt: Kann jeder ein guter Chef werden?
Bis zu einem gewissen Grad – ja! Führung ist Übungssache. Denken Sie an das oben genannte Kritikgespräch mit dem Mitarbeiter. Führungskräfte können lernen, eine Unterhaltung im Ton wertschätzend, aber im Inhalt konfrontierend zu führen. Ebenso können sie sich angewöhnen, die Mitarbeiter morgens freundlich zu begrüßen, sich aufrichtig nach ihrem Befinden zu erkundigen, ihnen aufmerksam zuzuhören und so eine angenehme Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Grundvoraussetzung ist natürlich, dass die Führungskraft gern mit Menschen arbeitet und Verantwortung übernehmen möchte. Wer das nicht will, schlägt besser den Karriereweg des Experten ein. Die sind für Unternehmen genauso wichtig wie Führungskräfte.

Raten Sie Führungskräften dazu, Wert auf das Feedback der Mitarbeiter zu legen? Und wie können sich Chefs ehrliches Feedback holen?
Dazu rate ich ganz dringend. Mitarbeiter sind interne Unternehmensberater, deren Feedback unheimlich wertvoll ist. Mein Tipp, um an ehrliche Rückmeldung zu gelangen: Geben Sie dem Mitarbeiter im Vorfeld des Feedback-Gesprächs einen Bogen, in dem er verschiedene Leadership-Aspekte wie „Anforderungen“, „Gestaltungsmöglichkeiten“ oder „Transparenz“ auf einer Skala von eins bis zehn bewerten kann. Anders als etwa in Asien wird in Deutschland nur ganz selten die volle Punktzahl vergeben. Das kann sich der Chef zunutze machen – und den Mitarbeiter im Gespräch fragen, was in Richtung einer optimalen Bewertung fehlt.


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