„Herr Schröder, sind Neueinstellungen während der Kurzarbeitsphase möglich?“
- Edgar Schröder beobachtet: Arbeitsagenturen vertreten gegenüber Unternehmen – und somit auch Personaldienstleistern – oft die Auffassung, dass Neueinstellungen innerhalb der laufenden Kurzarbeitsphase grundsätzlich unzulässig und nur in Ausnahmefällen möglich seien
- Die betroffenen Firmen, so der Standpunkt des Arbeitgeberservice, müssten im Vorfeld von geplanten Neueinstellungen während der Kurzarbeit die Zustimmung der Agentur für Arbeit einholen
- Der Berater der Zeitarbeit widerspricht dem vehement: „Das Erfordernis der behördlichen Zustimmung lässt sich unmittelbar weder aus dem Gesetz noch aus den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Kurzarbeitergeld herleiten!“
- Für die betriebliche Praxis rät Edgar Schröder Personaldienstleistern, zu jeder Neueinstellung während der Kurzarbeitsphase die sachlichen Gründe bezüglich der Erforderlichkeit intern revisionssicher zu dokumentieren
In unserer Beratungspraxis mehren sich die Fälle fragwürdiger Auskünfte der Arbeitsagenturen gegenüber Personaldienstleistern. Im Fokus stehen Neueinstellungen während der Kurzarbeit. Einige Sachbearbeiter in der Arbeitsverwaltung vertreten die Auffassung, dass Neueinstellungen, die zeitlich nach Beginn der Corona-Krise und des jeweiligen Antrags auf Kurzarbeitergeld (Kug) vereinbart werden, grundsätzlich unzulässig sind. Die Begründung: Ein Arbeitgeber agiert widersprüchlich, wenn er wegen erheblichen Arbeitsausfalls Kurzarbeit mit seinen Mitarbeitern verständigt und dementsprechend Kurzarbeitergeld von der zuständigen Arbeitsagentur bezieht, aber auf der anderen Seite Neueinstellungen vornimmt.
Nur im Ausnahmefall können Neueinstellungen zulässig und für den Bezug von Kurzarbeitergeld für die vom Arbeitsausfall betroffenen Arbeitnehmer unschädlich sein. Hierfür müssen Arbeitgeber hinreichende sachliche Gründe zur Hand haben. Beispiel: Das entleihende Kundenunternehmen aus der Abfallwirtschaftsbranche fragt beim Personaldienstleister konkret nach einem Energieanlagenelektroniker (m/w/d). Anhand des dokumentierten Anforderungsprofils ist für den zuständigen Personaldisponenten unschwer erkennbar, dass keiner der verfügbaren, in Kurzarbeit befindlichen Zeitarbeitnehmer (m/w/d), die erforderliche Berufsausbildung beziehungsweise einschlägige berufliche Qualifikation vorweisen kann. Der Personaldisponent hat dem Kunden daher einen adäquaten Kandidaten vorgeschlagen. Nach positivem Verlauf des Vorstellungstermins im Kundenbetrieb soll der Bewerber zeitnah eingestellt und überlassen werden.
Zustimmung der Agentur für Arbeit notwendig?
Der Arbeitgeberservice vertritt den Standpunkt, dass der Personaldienstleister im Vorfeld die Zustimmung der Agentur für Arbeit einholen müsse. Aber: Das Erfordernis der behördlichen Zustimmung lässt sich unmittelbar weder aus dem Gesetz (§ 95 ff. SGB III) noch aus den Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) zum Kurzarbeitergeld herleiten.
In den Fachlichen Weisungen der BA zum Kug finden sich zu der Thematik Neueinstellung folgende Ausführungen, siehe 4.3 Seite 46 + 47, auszugsweise Wiedergabe:
(1) Zwingende Gründe zur Aufnahme einer Beschäftigung können vertraglicher, betrieblicher oder gesetzlicher Art sein. Sie sind jedenfalls dann anerkannt, wenn z.B.
3. eine nicht entbehrliche Fachkraft unumgänglich eingestellt werden muss, um die Weiterführung des Betriebes zu gewährleisten.
Diese Erläuterung bezieht sich allerdings auf den speziellen Sonderfall, dass für die neu eingestellte Fachkraft sogleich Kurzarbeitergeld beantragt wird (vgl. § 98 Abs. 1 b) SGB III).
Die Passage innerhalb der Fachlichen Weisungen der BA ist nicht einschlägig.
In den uns zugetragenen Sachverhalten werden die neu eingestellten Zeitarbeitnehmer in den Kundenbetrieben normal oder regulär beschäftigt, sodass sie nicht vom krisenbedingten Arbeitsausfall betroffen sind. Daher ist die oben angeführte Passage innerhalb der Fachlichen Weisungen der BA nicht einschlägig.
Darüber hinaus wird im Kontext der Vermeidbarkeit des Arbeitsausfalls an anderer Stelle ausgeführt:
(3) Zur Vermeidung des Arbeitsausfalls kommen insbesondere folgende betriebliche Maßnahmen in Betracht:
4. Umsetzung der Kurzarbeiter in andere, vollarbeitende Betriebsabteilungen, soweit dieses arbeitsrechtlich zulässig und betriebstechnisch möglich ist;
Revisionssichere interne Dokumentation von Neueinstellungen
Wie bereits in dem Beispielfall dargelegt, passen die verfügbaren und in Kurzarbeit befindlichen Zeitarbeitnehmer nicht auf das dokumentierte Anforderungsprofil. Folglich ist der Arbeitsausfall für diesen im Nichteinsatz befindlichen Zeitarbeitnehmer im Sinne von § 96 Abs. 1 Nr. 3 SGB III unvermeidbar.
Für die betriebliche Praxis lässt sich zusammenfassend resümieren: Innerhalb der laufenden Kurzarbeitsphase werden zu jeder Neueinstellung die sachlichen Gründe bezüglich der Erforderlichkeit intern revisionssicher dokumentiert.
Die behördliche Zustimmung seitens der örtlich zuständigen Arbeitsagentur ist dagegen nicht erforderlich!
Äußerst bedenklich bewerte ich die Antwort im FAQ zum Kurzarbeitergeld der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen zum Schlagwort „Neu eingestellte Beschäftigte“, auszugsweise Wiedergabe: „Neueinstellungen während Kug sind im begründeten Einzelfall möglich (z.B. Schlüsselpositionen wiederbesetzen). Die Zustimmung der Agentur für Arbeit ist im Vorfeld einzuholen.“
Fazit
Es wäre super, wenn die Verbände BAP und/oder iGZ gegenüber der BA insistieren, diese gesetzlich nicht belastbare Vorgabe zu streichen sowie verwaltungsintern alle zuständigen Mitarbeiter darüber in Kenntnis zu setzen. Diese kontraproduktive Maßregelung kann nicht im Sinne einer proaktiven Arbeitsmarktpolitik sein.
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