31.05.2022 Werner Stolz

Geplante Zeitenwende in der Verbandslandschaft

  • Vergangene Woche fand der Bundeskongress des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e. V. (iGZ) statt. Der heißeste Punkt auf der Tagesordnung war die Abstimmung über die mögliche Gründung eines neuen Verbandes.
  • Die iGZ-Mitglieder waren sich einig und stimmten mit einer absoluten Mehrheit für die Verhandlungen mit dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister (BAP).
  • Diesen Mittwoch folgt die Abstimmung des BAP – voraussichtlich mit einem ähnlich aussagekräftigen Ergebnis pro Verbandsgründung.
  • Welche Herausforderungen gilt es bei den anschließenden Verhandlungen zu meistern? Dass BAP und iGZ gut zusammenarbeiten können, haben sie schon bei diversen Anlässen gezeigt. Dennoch konkurrieren beide Organisationen auch miteinander. Kann das gutgehen? Im arbeitsblog-Beitrag gibt iGZ-Hauptgeschäftsführer Werner Stolz seine Einschätzung ab.

Obwohl die Zeitarbeitsbranche im Vergleich zu anderen Wirtschaftsbereichen kein Riesenfaktor ist, gab es in der AÜG-Geschichte eine auffällige Vielfalt von Verbänden bzw. Interessenvertretungen in Deutschland – beginnend 1969 mit dem Unternehmerverband für Zeitarbeit (UZA), gefolgt von der Gründung des Bundesverbandes Personalleasing (BPL) und der Fusion beider zum Bundesverband Zeitarbeit Dienstleistungen auf Zeit (BZA). Darüber hinaus bildeten sich kleinere Konkurrenzverbände wie die Interessengemeinschaft Nerdbayerischer Zeitarbeitsunternehmen (INZ) und die Schutzgemeinschaft Zeitarbeit (SGZ). Im März 1998 gründete sich die Interessengemeinschaft Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) anlässlich neuer Gefahrtarife in der VBG mit enormen Beitragssteigerungen in der Branche. Im März 2001 bekam ich als erster hauptamtlicher Hauptgeschäftsführer die Aufgabe, aus den etwa 200 mittelständischen Mitgliedunternehmen einen vollwertigen, schlagkräftigen Arbeitgeberverband zu entwickeln. Der BZA war über diese Konkurrenz-Absichten natürlich „not amused“.

Eine Branche, viele Verbände: In den vergangenen Jahrzehnten haben bereits viele Organisationen die Interessen der Zeitarbeit vertreten. (Quelle: iGZ)

Im Zuge der AÜG-Hartz-Reformen und der ersten Branchen-Tarifverhandlungen kam es zu weiteren Verbandsneugründungen: Es formierten sich die Mittelstandsvereinigung Zeitarbeit (MVZ) und der Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP), die die „christlichen“ Sozialpartner (CGZP) als Sozialpartner auserkoren hatten. Nach dem Aus dieser Tarifverträge durch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichtes verschmolzen 2011 der BZA und AMP zum Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleiter e.V. (BAP).

Die Verbändelandschaft war also stetig im Umbruch, denn die Strukturen und Erwartungshaltungen der Beteiligten in der Branche unterlagen einem kontinuierlichen, teilweise rapiden Wandel. Die Verbände waren (und sind) gefordert, diesem Wandel zu folgen, ihn möglichst mitzugestalten. Der iGZ hat es seit seiner Gründung mit viel Einsatz, Kompetenz und Innovationskraft geschafft, mit jetzt über 3.600 Mitgliedsunternehmen und starken hauptamtlichen Repräsentanzen in Münster sowie Berlin zu einer bei allen Stakeholdern anerkannten Interessenvertretung neben dem BAP anzuwachsen.

Die avisierte Verbandsneugründung kann eine probate Lösung zur Bewältigung des Wandels in der Arbeitswelt werden, einen größeren Service-Level mit Fachkompetenz für die Mitglieder anbieten und die Schlagkraft durch eine breit aufgestellte Präsenz erhöhen.

– Werner Stolz

Werner Stolz

Konstruktive Kooperation auf dem politischen Parkett

Schon vor zehn Jahren kam dann die Frage auf, ob es nicht aus vielerlei Gründen sinnvoll sei, dass es nur einen Verband geben sollte, der die gesamte Zeitarbeitsbranche repräsentiert. Entsprechende Initiativen wurden seinerzeit von der iGZ-Mitgliederversammlung aber einstimmig abgelehnt. Auf dem politischen Parkett sollte zunächst der Weg einer konstruktiven Kooperation gesucht werden. Dies geschah dann auch bei allen AÜG-Änderungsvorschlägen durch den Gesetzgeber bei den parlamentarischen Anhörungen in Berlin und auch bei den Tarifverhandlungen mit dem DGB durch Gründung einer gemeinsamen „Verhandlungsgemeinschaft Zeitarbeit“ (VGZ). Hierdurch entstand ein belastbares Vertrauensverhältnis auf Augenhöhe zwischen den beiden großen Branchenverbänden und dem Haupt-/Ehrenamt beim iGZ und BAP. Folgerichtig kam es im letzten Jahr zur Wiedervorlage der Gretchen-Frage: eine Branche – ein Verband? Der iGZ-Bundesvorstand hat sich erneut intensiv mit dem Problemkreis befasst, erste Ideen entwickelt, Visionen zur Neugründung formuliert, diese einer Mitgliederbefragung unterzogen und daraus einen Beschlussvorschlag für die letzte Mitgliederversammlung am 24. Mai 2022 in Hannover vorbereitet. Mit 95 Prozent Zustimmung wurde dieser Antrag deutlich angenommen.

Startschuss für Sondierungen

Da auch der BAP am 1. Juni auf seiner Mitgliederversammlung in Berlin wohl einen fast gleichlautenden Tenor verabschieden wird, ist nun der Startschuss für die Sondierungsverhandlungen in den nächsten Monaten gefallen. Gut, wenn alle Player in diesem anspruchsvollen Prozess der Neuorientierung konstruktiv zusammenwirken und persönliche Empfindlichkeiten bzw. Ränkespiele tunlichst vermeiden. Die nunmehr einmütig avisierte Verbandsneugründung von iGZ und BAP kann insofern eine probate Lösung zur Bewältigung des Wandels in der Arbeitswelt werden, Synergien in den Verbandsressourcen schaffen, einen größeren Service-Level mit Fachkompetenz für die Mitglieder anbieten, die Schlagkraft durch eine breit aufgestellte Präsenz erhöhen, das ambivalente Branchenimage in Politik/Gesellschaft weiter verbessern, AÜG-Regulierungstendenzen effektiver begegnen und kommunikative Vernetzungen dichter knüpfen. Wenn diese Meilensteine trotz aller bisherigen kulturellen Unterschiede der Verbände richtig zusammengesetzt werden, dann liegt in der professionell organisierten Neugründung tatsächlich ein Profil, das nach vorne mit Gemeinwohlbezug gerichtet ist.

Der anstehende Weg von der Konkurrenz über die Kooperation bis zur Verschmelzung ist sicherlich ein nicht ganz einfaches Unterfangen mit einigen Hürden, Umwegen und ggf. auch Konflikten. Weil das aber so ist, muss umso mehr Sorgfalt auf eine konsequente Verfolgung der vereinbarten Ziele, auf die Transparenz der Prozesse sowie auf die Befähigung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die neue Welt mit Change-Management zu beherrschen, gelegt werden.


Werner Stolz

Der Rechtsanwalt Werner Stolz ist Hauptgeschäftsführer des Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e. V. (iGZ). Im März 2021 feierte er sein 20-jähriges Jubiläum beim iGZ. Leitmotiv seiner Verbandstätigkeit war und ist es, die Zeitarbeit als normale Wirtschaftsbranche in Deutschland zu etablieren. Er war unter anderem maßgeblich an der Gestaltung des ersten iGZ-DGB-Tarifwerks beteiligt und hat den Weg für die Einführung des Ausbildungsberufs Personaldienstleistungskaufmann/-kauffrau geebnet.

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