Französische Zeitarbeitsfirmen: Vorbild bei der Digitalisierung?
- Bei der Optimierung und Automatisierung der Informationsverarbeitung hinkt die deutsche Zeitarbeitsbranche deutlich hinter Frankreich her. Fast alle Prozesse sind im Nachbarland digitalisiert, von der Suche der Kandidaten bis hin zur Erfassung der Arbeitszeit.
- Die gesellschaftliche Akzeptanz für Zeitarbeit ist in Frankreich deutlich höher als in Deutschland. Weniger restriktive Regularien und ein höheres Grundgehalt machen sie attraktiver. Französische Zeitarbeitskräfte müssen für neue Jobs keine Filialen aufsuchen, sondern kommen digital an neue Stellen.
- Christoph Lamoller arbeitet bei Coffreo in Deutschland und Frankreich und gibt einen Einblick in die Arbeitsweisen beider Länder.
In den letzten Jahren hatte ich das Glück, für ein französisches Unternehmen zu arbeiten, das die Art und Weise, wie Personaldienstleister auf ihrem lokalen Markt arbeiten, grundlegend verändert hat. Mit über zwei Millionen Zeitarbeitskräften, die seine Plattform nutzen, 900.000 elektronisch unterzeichneten Verträgen und 300.000 digitalen Gehaltsabrechnungen, die jeden Monat verteilt werden, ist Coffreo führend bei der Digitalisierung in der Beziehung zwischen Personaldienstleistern und Zeitarbeitskräften in Frankreich. Dass die Firma auch in Deutschlad tätig ist, gibt mir die Möglichkeit, die Märkte und digitalen Praktiken der Zeitarbeitsfirmen in beiden Ländern zu analysieren und zu vergleichen.
Deutschland hinkt hinterher
Was mir bei der Betrachtung beider Märkte vor allem auffällt, ist der große Nachholbedarf Deutschlands bei der Nutzung der digitalen Transformation zur Optimierung und Automatisierung der Informationsverarbeitung zwischen Niederlassungen und Zeitarbeitskräften. Unter der Leitung von Coffreo hat ein großer Teil der französischen Zeitarbeitsfirmen seit 2007 die meisten Prozesse in jeder Phase der Zusammenarbeit digitalisiert: die Suche nach Kandidaten, die Unterzeichnung des Vertrags, die Verteilung der Einstellungsunterlagen, die Erfassung der Arbeitszeit, die Lohnabrechnung und die Archivierung der Dokumente.
Es ist heute gängige Praxis, dass ein französischer Zeitarbeitnehmender keine Filiale aufsuchen muss, um für einen Einsatz eingestellt zu werden, und dass der gesamte Verwaltungsaufwand vor, während und nach dem Einsatz elektronisch erledigt wird. Während dies in Frankreich bereits Realität ist, wird es von vielen deutschen Unternehmen, die nach wie vor überwiegend mit Papier arbeiten, noch als Zukunftsszenario angesehen.
Durch die Vereinfachung des Verwaltungsaufwands mithilfe der Digitalisierung lassen sich in den Niederlassungen im Durchschnitt 52 Tage pro Jahr einsparen.
Mit Digitalisierung 52 Arbeitstage im Jahr sparen
Die Ergebnisse der Implementierung solcher Prozesse sind jedoch erstaunlich, und ich möchte sie nur mit einer Zahl illustrieren. Unsere Kundenaufzeichnungen in Frankreich zeigen, dass die Vereinfachung des Verwaltungsaufwands durch die Digitalisierung im Durchschnitt 52 Tage pro Jahr einspart. Bezogen ist dieses Beispiel auf eine Niederlassung, die 200 Einsätze pro Monat abwickelt, was einen Tag mehr pro Woche bedeutet. Dieser wiederum kann für Aufgaben mit höherem Mehrwert verwendet werden, etwa die Rekrutierung von Mitarbeitenden oder die Akquise neuer Kunden.
Was hindert deutsche Firmen daran, die Digitalisierung zu nutzen?
Natürlich gibt es Unterschiede in der Art und Weise, wie die beiden Märkte funktionieren, und nicht alles lässt sich einfach auf die gleiche Weise replizieren.
In Deutschland sind die Regularien deutlich restriktiver, die Laufzeiten des Arbeitsvertrages nicht an die Einsatzdauer gekoppelt; in Frankreich kennt man die Schriftformerfordernis in der Form nicht wie bei uns, zudem ist die gesellschaftliche Akzeptanz der Zeitarbeit an sich in Frankreich deutlich höher.
Ich denke aber nicht, dass dies die wahren Gründe für die langsame Einführung der digitalen Technologie sind. Ich würde es eher auf die Macht der Gewohnheit und die Abneigung gegen den Einsatz neuer Technologien zurückführen.
Dabei gibt es hierzulande auch bereits Lösungen, die vollständig mit den deutschen Vorschriften konform sind, sich darüber hinaus in die meisten ERP-Systeme integrieren lassen und sich bei unterschiedlich großen Unternehmen bewährt haben. Es gibt also keinen Grund, das Jahr 2022 nicht als Jahr der Digitalisierung zu beginnen. Lassen Sie es uns gemeinsam anpacken.
Christoph Lamoller
Christoph Lamoller ist Sales Country Manager und Prokurist bei der Coffreo GmbH, einem Unternehmen, das auf digitale Prozesslösungen für die Bereiche Zeitarbeit, Event & Security-Dienstleistungen sowie Health Care spezialisiert ist. Er kennt und begleitet die Branche seit über 20 Jahren und ist fasziniert von deren digitalen Potenzialen.