Fortschritt durch Neugier: Darum braucht die Branche gerade jetzt Veränderungen
- Neugier zählt nicht gerade zu den typisch deutschen Eigenschaften. Leider – findet Christoph Lamoller von Coffreo.
- Aus seiner Sicht ist Neugier genau das, was die Personaldienstleistung zurzeit am meisten braucht – und Mut zu Veränderungen. Warum spielen diese Faktoren eine so wichtige Rolle?
- Im arbeitsblog-Beitrag appelliert der erfahrene Berater an die Branche, alte Gewohnheiten loszulassen und sich mit neuen Methoden Zeit fürs Wesentliche zu verschaffen.
„Das wird richtig gut!“ – Ich muss gestehen, dass mich das Interview, das Tina Voss und Julia Wohlfeld diesem Blog vor etwa einem Monat gegeben haben, sehr beeindruckt hat. Warum? Weil Sie den Mut hatten und haben, ihr Unternehmen neu zu denken. Darüber hinaus sind sie zu einer Ansicht gelangt, die aus meiner Sicht essenziell ist: Die Welt der Zeitarbeit ändert sich kontinuierlich – und man muss sich dieser Veränderung stellen, wenn man am Markt bestehen will.
Am meisten hat mich aber beeindruckt, dass die beiden mit ihren Veränderungsgedanken bei sich selbst beginnen. Sie haben sich selbst und ihre Herangehensweisen in Frage gestellt. Und – so habe ich es zumindest interpretiert – sie sind wieder neugierig geworden, Unternehmerinnen zu sein. Als er 1985 Apple verließ, formulierte es Steve Jobs folgendermaßen: „The heaviness of being successful was replaced by the lightness of being a beginner again.” Der Druck, der auf einem lastet, wenn man erfolgreich ist, wurde also durch die Leichtigkeit ersetzt, die viele gerade am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn erleben. Diese Leichtigkeit und die Neugier gehen im Laufe der Zeit leider oftmals verloren.
Neugier: Laster oder Tugend?
Das Wort „Neugier“ in seiner eigentlichen Form ist vollkommen undeutsch. Gierig nach etwas Neuem zu sein, ist normalerweise nicht gerade eine der Tugenden, die uns auszeichnet. „Sei nicht so neugierig“ hat wahrscheinlich jeder schon mal gesagt bekommen. Dabei ist diese Eigenschaft genau das, was wir jetzt brauchen. Neugier für Dinge, die die Veränderungen des Marktes mit sich bringen. Und da sind wir wieder bei einem der Themen, die unseren Zeitarbeitsmarkt in Zukunft immer mehr prägen wird: Digitalisierung. Die ist aus meiner Sicht so ziemlich das Beste, was dieser Branche passieren kann.
Über das Thema habe ich mich bereits mit vielen Kunden und Interessenten ausgetauscht. Dabei höre ich oft, das Ziel der Digitalisierung in der Zeitarbeit sei es, persönliche Gespräche mit Kunden oder Mitarbeitenden zu ersetzen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Das Ziel der Digitalisierung, wie wir sie verstehen, ist es viel mehr, den Dialog in einen persönlichen Austausch zu verwandeln. In Gesprächen soll es nicht um Verwaltungsakte oder die Unterzeichnung von Dokumenten gehen. Die wertvolle Zeit kann man nutzen, um sich wirklich mit Kunden oder Mitarbeitenden auseinanderzusetzen, sie zu verstehen und gemeinsam mit ihnen individuelle Lösungen zu erarbeiten.
Aus Arbeitsstätte wird Begegnungsort
Die Verschiebung des Schwerpunktes persönlicher Gespräche kann auch zu einer Neugestaltung des Arbeitsplatzes führen. Auch hier teile ich komplett die Einschätzung von Tina Voss und Julia Wohlfeld, dass es sinnvoll ist, aus der klassischen Niederlassung mit Schreibtisch, Besprechungstisch und Aktenschrank eine Begegnungsstätte mit Wohlfühlcharakter zu machen. Die technischen Voraussetzungen dafür sind vorhanden. Sie können heute bis auf die Kündigung im Grunde alle Dokumente digitalisieren, unterschreiben und archivieren. In einem komplett digitalisierten Prozess brauchen Sie keine Dokumente in Papierform mehr – goodbye, Aktenschrank.
In Gesprächen soll es nicht um Verwaltungsakte oder die Unterzeichnung von Dokumenten gehen. Die wertvolle Zeit kann man nutzen, um sich wirklich mit Kunden oder Mitarbeitenden auseinanderzusetzen, sie zu verstehen und gemeinsam mit ihnen individuelle Lösungen zu erarbeiten.
Seien Sie nicht das Nokia der Personaldienstleistung
Was so einfach aussieht und technisch auch einfach und kostengünstig umzusetzen wäre, scheitert in der Praxis meist an der Gewohnheit – an eben der fehlenden Gier nach etwas Neuem und nach einer Veränderung. Der Schweizer Journalist Rolf Dobelli hat es in Bezug auf unsere Vorfahren einmal so formuliert: „Wer zu lange darüber nachdenkt, ob das hinter dem nächsten Baum ein Säbelzahntiger ist oder doch nur ein Reh, wird früher oder später aus dem Genpool verschwunden sein. So funktioniert Evolution.“ Olli-Pekka Kallasvuo kann ein Lied davon singen. Der ehemalige CEO von Nokia war davon überzeugt, dass Handys immer Tasten haben werden. Dann kam das iPhone. (Für die jüngeren unter Ihnen: Nokia baut Mobiltelefone und hatte 2006 einen globalen Marktanteil von 51 Prozent, 2020 war es etwas weniger als ein Prozent.)
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Ich bin weit davon entfernt, Ihnen Angst machen zu wollen oder Ihnen zu sagen, was Sie tun sollen. Aber es war nie einfacher, seine Prozesse in der Niederlassung auf digital zu stellen, als es heute der Fall ist. Und mit jedem Tag, den Sie früher starten, haben Sie und Ihr Unternehmen einen Tag mehr Erfahrung und einen Tag mehr Wissen. Genau dieses Wissen und der Umgang damit wird unsere Branche innovativer machen und weiter aufwerten. Und das – um es mit Julia Wohlfelds Worten auszudrücken – wird richtig gut!
Christoph Lamoller
Christoph Lamoller ist Sales Country Manager und Prokurist bei der Coffreo GmbH, einem Unternehmen, das auf digitale Prozesslösungen für die Bereiche Zeitarbeit, Event & Security-Dienstleistungen sowie Health Care spezialisiert ist. Er kennt und begleitet die Branche seit über 20 Jahren und ist fasziniert von deren digitalen Potenzialen.