20.02.2019 Alexander Bissels

Erkrankte Zeitarbeitnehmer: Was Personaldienstleister rechtlich wissen müssen (2/2)

  • Dr. Alexander Bissels, Partner bei CMS Hasche Sigle, und Kira Falter, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle, arbeiten die Rechte und Pflichten von Personaldienstleistern im Umgang mit arbeitsunfähig erkrankten Zeitarbeitnehmern heraus
     
  • Im zweiten Teil des Beitrags beleuchten sie die Aspekte „Rechte des Personaldienstleisters bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit“, „Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements“ und „Kündigung des Arbeitsverhältnisses“
     
  • Der erste Teil beschäftigt sich mit den Themen „Information über die Arbeitsunfähigkeit“, „Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“, „Herausgabe von Gegenständen“ und „Kontaktaufnahme mit dem erkrankten Zeitarbeitnehmer“

Fast jeder Personaldienstleister wird sich die Frage schon gestellt haben: Wie soll ich mit Zeitarbeitnehmern umgehen, die sich häufig krankmelden? Denn selbst bei Kurzerkrankungen entsteht neben der wirtschaftlichen Belastung durch die gesetzliche beziehungsweise tarifliche Entgeltfortzahlung von sechs Wochen auch ein erheblicher organisatorischer Aufwand bei der erforderlich werdenden Personaldisposition. Im folgenden Beitrag (und im ersten Teil des Beitrags) erhalten Personaldienstleister einen Überblick über ihre Rechte und Pflichten im Umgang mit arbeitsunfähig erkrankten Zeitarbeitnehmern.

Rechte bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit
Ist der Zeitarbeitnehmer auffällig häufig an einem Mon- oder Freitag erkrankt, wird dieser arbeitsunfähig, nachdem ein Urlaubsantrag abgelehnt wurde, oder wird er trotz Krankmeldung in einem scheinbar gesunden Zustand im Fußballstadion angetroffen, stellt sich die Frage, welche Möglichkeiten der Personaldienstleister hat, damit umzugehen:

  • Zunächst kann der Personaldienstleister bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit zu deren Überprüfung bei den gesetzlich krankenversicherten Zeitarbeitnehmern den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) einschalten (§ 275 SGB V). Selbst wenn in der Praxis oftmals der Befund der von dem behandelnden Arzt festgestellten Arbeitsunfähigkeit bestätigt werden sollte, ist die Einbindung des MDK zumindest als nicht ganz unbedeutendes Signal an den Zeitarbeitnehmer und auch dessen Arzt zu verstehen, dass der Personaldienstleister die krankheitsbedingten Abwesenheitszeiten „auf dem Schirm hat“. Die Einschaltung des MDK dürfte damit zumindest eine nicht zu unterschätzende psychologische Wirkung haben.
     
  • Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit des Personaldienstleisters, auch einen Privatdetektiv einzuschalten, um den nur vermeintlich erkrankten Zeitarbeitnehmer im öffentlichen Raum zu observieren. Neben den damit verbundenen (oftmals erheblichen) Kosten sind zudem strenge datenschutzrechtliche Vorgaben zu beachten, sodass der Einsatz eines Detektivs erst nach sorgfältiger Prüfung erwogen werden sollte.
     
  • Krankenkontrollbesuche durch den Personaldienstleister sind zwar möglich, jedoch sollten auch diese gut überlegt sein, da der Erkenntnisgewinn in der Praxis – zumindest mit Blick auf eine (nicht) bestehende Arbeitsunfähigkeit – oftmals eher als gering einzuschätzen sein dürfte. Der Zeitarbeitnehmer ist nämlich, ob erkrankt oder nicht, nicht verpflichtet, dem Personaldienstleister Zutritt zu seiner Wohnung oder seinem Haus zu verschaffen oder dort trotz einer (vermeintlichen) Arbeitsunfähigkeit zu verweilen.
     
  • Der Personaldienstleister kann bei konkreten Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit die während der Krankheit für maximal sechs Wochen fortzuzahlende Vergütung (§ 3 EFZG; § 13.3 MTV BAP/DGB; § 6a MTV iGZ/DGB) zurückhalten. Sollte der Zeitarbeitnehmer sodann die Zahlung gerichtlich durchzusetzen versuchen, muss dem Personaldienstleister jedoch klar sein, dass bei einer von dem Zeitarbeitnehmer vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und dem dieser anhaftenden Beweiswert hohe Hürden zu nehmen sind, um eine tatsächlich bestehende Arbeitsfähigkeit darzulegen und im Ergebnis zu beweisen. Letztlich besteht dabei ein nicht unerhebliches Risiko, dass die Vergütung nachzuzahlen ist. Ein gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht des Personaldienstleisters besteht im Übrigen auch, wenn der Zeitarbeitnehmer die nach § 5 Abs. 1 EFZG vorzulegende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht beibringt (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG).

Die Rechtsprechung erkennt an, dass die Krankheit einen personenbedingten Kündigungsgrund darstellen kann. Allerdings sind die Anforderungen hoch.

– Dr. Alexander Bissels und Kira Falter über den Kündigungsgrund Krankheit:

Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements
Ist der Zeitarbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt erkrankt, ist ein sogenanntes betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) von dem Personaldienstleister durchzuführen, in dem mit Zustimmung des Mitarbeiters geklärt werden soll, welche Möglichkeiten es gibt, die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden, und wie dieser vorgebeugt werden kann. Von der Rechtsprechung ist bislang nicht geklärt, ob der Zeitarbeitnehmer die Mitwirkung an einem BEM unter Hinweis auf dessen Arbeitsunfähigkeit zunächst ablehnen kann. Dies ist u. E. nicht der Fall, da das BEM ganz überwiegend den Interessen des Zeitarbeitnehmers dient und die Nichtteilnahme für ihn nachteilig ist. Es besteht damit kein berechtigtes Interesse des Zeitarbeitnehmers, die Teilnahme am BEM zu verweigern. Im Gegensatz dazu dient das Personalgespräch (siehe Teil eins dieses Beitrags) der Durchsetzung der Interessen des Personaldienstleisters, dessen Weisungen sich der Zeitarbeitnehmer aber während seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht fügen muss (dazu und zu praktischen Fragen bei der Durchführung des BEM ausführlich: Bissels/Falter, DB 2018, 1405 ff.). Wird ein BEM nicht durchgeführt, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, hat dies zunächst keine für den Personaldienstleister nachteiligen Konsequenzen, anders jedoch, wenn er in der Folge eine krankheitsbedingte Kündigung ausspricht (dazu sogleich).

Kündigung des Arbeitsverhältnisses
Als „ultima ratio“ ist der Personaldienstleister berechtigt, das Arbeitsverhältnis wegen Krankheit zu kündigen. Eine Kündigung ist auch möglich, wenn der Zeitarbeitnehmer noch arbeitsunfähig ist. Eine Krankheit schließt grundsätzlich nicht aus, dass der Personaldienstleister das Arbeitsverhältnis einseitig beenden möchte und dem Zeitarbeitnehmer aus diesem Grund eine Kündigungserklärung zustellt. Zu beachten ist aber, dass bei der Geltung des KSchG eine soziale Rechtfertigung der Kündigung erforderlich ist. Die Rechtsprechung erkennt dabei an, dass die Krankheit einen personenbedingten Kündigungsgrund darstellen kann. Allerdings sind die Anforderungen hoch. Bei häufigen Kurzerkrankungen prüfen die Arbeitsgerichte zunächst, ob eine negative Gesundheitsprognose vorliegt (erste Stufe). Dies wird in der Praxis regelmäßig bejaht, wenn der Zeitarbeitnehmer zumindest in den letzten drei Jahren mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt war. Auf der zweiten Stufe muss dargelegt werden, dass die betrieblichen Belange des Personaldienstleisters durch den zu erwartenden Gesundheitszustand des Zeitarbeitnehmers erheblich beeinträchtigt werden. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn der Personaldienstleister über einen längeren Zeitraum eine Entgeltfortzahlung von über sechs Wochen im Jahr leisten muss, ohne dass dieser dafür eine (substantielle) Gegenleitung von dem Zeitarbeitnehmer erhalten hat. Auf der dritten und letzten Stufe wird sodann eine Interessenabwägung durchgeführt. Hier kann u. a. berücksichtigt werden, dass die Krankheit eine betriebsbedingte Ursache hat, dass der Zeitarbeitnehmer langjährig beschäftigt ist usw. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit spielt auch das (unterlassene) BEM eine Rolle. Der Personaldienstleister muss, wenn er kein BEM durchgeführt hat, darlegen und im Zweifel beweisen, dass der Zeitarbeitnehmer auf dessen bisherigem Arbeitsplatz nicht mehr eingesetzt werden kann, leidensgerechte Anpassungen ausgeschlossen sind und dieser auf einem anderen Arbeitsplatz bei ggf. angepassten Tätigkeiten nicht mehr beschäftigt werden kann. In der Praxis gleicht die ohne ein BEM ausgesprochene Kündigung bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung vor dem Hintergrund dieser hohen Anforderungen oftmals einem Glücksspiel und ist bereits aus diesem Grund nur unter erschwerten Umständen zu rechtfertigen. Von einer krankheitsbedingten Kündigung ist daher abzuraten, wenn vorher kein BEM durchgeführt worden ist.


Den ersten Teil des Beitrags finden Sie hier.


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Dieser Beitrag wurde gemeinsam von Dr. Alexander Bissels und Kira Falter erstellt. Kira Falter ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle. Sie berät Unternehmen in allen Fragen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt ist der Einsatz von Fremdpersonal, u.a. zu Fragen der Arbeitnehmerüberlassung und beim Einsatz von Freelancern und bei der Beauftragung externer Dienstleister.

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