14.02.2019 Alexander Bissels

Erkrankte Zeitarbeitnehmer: Was Personaldienstleister rechtlich wissen müssen (1/2)

  • Dr. Alexander Bissels, Partner bei CMS Hasche Sigle, und Kira Falter, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle, arbeiten die Rechte und Pflichten von Personaldienstleistern im Umgang mit arbeitsunfähig erkrankten Zeitarbeitnehmern heraus
     
  • Der erste Teil des Beitrags beschäftigt sich mit den Aspekten „Information über die Arbeitsunfähigkeit“, „Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“, „Herausgabe von Gegenständen“ und „Kontaktaufnahme mit dem erkrankten Zeitarbeitnehmer“
     
  • Im zweiten Teil, beleuchten die Arbeitsrechtsexperten die Themen „Rechte des Personaldienstleisters bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit“, „Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements“ und „Kündigung des Arbeitsverhältnisses“

Fast jeder Personaldienstleister wird sich die Frage schon gestellt haben: Wie soll ich mit Zeitarbeitnehmern umgehen, die sich häufig krankmelden? Denn selbst bei Kurzerkrankungen entsteht neben der wirtschaftlichen Belastung durch die gesetzliche beziehungsweise tarifliche Entgeltfortzahlung von sechs Wochen auch ein erheblicher organisatorischer Aufwand bei der erforderlich werdenden Personaldisposition. Im folgenden Beitrag (und im zweiten Teil) erhalten Personaldienstleister einen Überblick über ihre Rechte und Pflichten im Umgang mit arbeitsunfähig erkrankten Zeitarbeitnehmern.

Information über die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer
Der Zeitarbeitnehmer ist verpflichtet, dem Personaldienstleister unverzüglich die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer mitzuteilen; dieser Informationspflicht des Zeitarbeitnehmers steht spiegelbildlich ein Informationsrecht des Personaldienstleisters gegenüber (§ 5 Abs. 1 S. 1 EFZG; § 12.1 Abs. 1 S. 1 MTV BAP/DGB). „Unverzüglich“ bedeutet nach der gesetzlichen Legaldefinition gemäß § 121 BGB „ohne schuldhaftes Zögern“. Dieser Rechtsbegriff ist aber nicht gleichzusetzen mit „sofort“, sondern wird anhand der Umstände des Einzelfalls ausgelegt. Bereits der Entschluss des Zeitarbeitnehmers, wegen einer Erkrankung die Arbeit nicht aufzunehmen, reicht aus, um die Unterrichtungspflicht auszulösen.

Dabei ist das Zeitarbeitsunternehmen grundsätzlich am ersten Arbeitstag vor Beginn der Arbeit zu unterrichten. Die Einhaltung einer bestimmten Form für die Mitteilung ist gesetzlich nicht vorgesehen. Im § 12.1 Abs. 1 S. 1 MTV BAP/DGB ist geregelt, dass die Unterrichtung „möglichst fernmündlich“ erfolgen soll. Sollte mit dem Mitarbeiter keine Vereinbarung über die Form geschlossen worden sein, dürfte aber auch eine SMS, WhatsApp-Nachricht oder E-Mail ausreichen. Nicht mehr unverzüglich dürfte hingegen aufgrund der einzuplanenden Zustellzeiten die Anzeige per normalem Brief sein. Der Zeitarbeitnehmer ist ergänzend verpflichtet, dem Personaldienstleister mitzuteilen, wie lange die Arbeitsunfähigkeit voraussichtlich andauern wird; dieser kann grundsätzlich aber keine Angaben zur Art der Erkrankung von dem Zeitarbeitnehmer verlangen – außer es handelt sich um schwerwiegende ansteckende Krankheiten, die die Einleitung von Schutzmaßnahmen zugunsten Dritter erfordern. Äußert sich der Zeitarbeitnehmer freiwillig dazu, kann der Personaldienstleister diese Informationen auch verwerten.

Gesundet der Zeitarbeitnehmer vor dem Datum der attestierten Arbeitsunfähigkeit, ist dieser verpflichtet, sich beim Personaldienstleister als „gesund“ zurückzumelden und seine Arbeit wieder aufzunehmen. Dies wird freilich in der Praxis ausgesprochen selten vorkommen.

– Dr. Alexander Bissels und Kira Falter über vorzeitig gesundete Zeitarbeitnehmer:

Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage (nicht: Werktage), hat der Zeitarbeitnehmer dem Personaldienstleister spätestens am vierten Tag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen (§ 5 Abs. 1 S. 2 EFZG; § 12.1 Abs. 2 S. 1 MTV BAP/DGB), wenn dieser Tag ein Arbeitstag im Betrieb ist. Es kommt nach der herrschenden Meinung also nicht darauf an, dass der Zeitarbeitnehmer an diesem Tag auch hätte arbeiten müssen. Der Personaldienstleister kann verlangen, dass die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits früher, zum Beispiel schon ab dem ersten Tag der Krankheit, vorgelegt wird (§ 5 Abs. 1 S. 3 EFZG; § 12.1 Abs. 2 S. 2 MTV BAP/DGB).

Ein sachlicher Grund und/oder Verdachtsmomente für eine vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit sind für die Anordnung nicht erforderlich; einzuhalten sind freilich die Grenzen des Rechtsmissbrauchs oder der Willkür. Die Anordnung kann dabei „spontan“ bei einer Krankheit – auch ohne Begründung – oder abstrakt für jede Arbeitsunfähigkeit im Vorfeld erfolgen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen (§ 5 Abs. 1 S. 4 EFZG; § 12.1 Abs. 2 S. 3 MTV BAP/DGB). Gesundet der Zeitarbeitnehmer vor dem Datum der attestierten Arbeitsunfähigkeit, ist dieser verpflichtet, sich beim Personaldienstleister als „gesund“ zurückzumelden und seine Arbeit wieder aufzunehmen (dies wird freilich in der Praxis ausgesprochen selten vorkommen). Eine „Gesundschreibung“ oder eine ärztliche Bestätigung, dass der Zeitarbeitnehmer wieder arbeitsfähig ist, kann der Personaldienstleister hingegen nicht verlangen; grundsätzlich muss er sich insoweit auf die Erklärung des Zeitarbeitnehmers verlassen.

Verstößt der Zeitarbeitnehmer gegen die oben genannte Mitteilungs- oder Vorlagepflichten, kann dieses Verhalten vom Personaldienstleister abgemahnt werden. Im Wiederholungsfall kann das Arbeitsverhältnis – gegebenenfalls sogar fristlos – arbeitgeberseits gekündigt werden.

Herausgabe von Gegenständen
Führt der erkrankte Zeitarbeitnehmer Gegenstände mit sich, die im Eigentum des Personaldienstleisters stehen, zum Beispiel (Spezial-)Werkzeuge, Unterlagen etc., kann dieser grundsätzlich jederzeit die Herausgabe verlangen. Dies gilt allerdings nur eingeschränkt für Gegenstände des Personaldienstleisters, die dem Zeitarbeitnehmer ausdrücklich auch zur Privatnutzung überlassen worden sind, z.B. ein Dienstwagen oder ein Laptop. Als Übergabeort dürfte dabei nicht der Betriebssitz des Arbeitgebers beziehungsweise der Einsatzort des Zeitarbeitnehmers, sondern dessen Wohnsitz in Betracht kommen, an dem die Gegenstände auf Kosten des Personaldienstleisters abgeholt werden müssen. Der Zeitarbeitnehmer ist aber verpflichtet, an der Übergabe mitzuwirken, wenn es diesem unter Berücksichtigung von Art und Schwere der Erkrankung zumutbar ist, etwa indem er einen Termin für die Übergabe vereinbart oder dem Personaldienstleister den Zugriff auf die betreffenden Gegenstände ermöglicht.

Kontaktaufnahme mit dem erkrankten Zeitarbeitnehmer
Grundsätzlich besteht während der Arbeitsunfähigkeit des Zeitarbeitnehmers kein Verbot der Kontaktaufnahme durch den Personaldienstleister. Da der Zeitarbeitnehmer aufgrund der Erkrankung nicht zur Erbringung der Arbeitsleistung verpflichtet ist, kann der Personaldienstleister diesen jedoch regelmäßig nicht wirksam anweisen, Auskunft über gewisse mit seiner Tätigkeit zusammenhängende Fragen zu geben, zum Beispiel um eine ordnungsgemäße Übergabe zu gewährleisten, wenn der Zeitarbeitnehmer sich weigern sollte, freiwillig daran mitzuwirken. Auch hat der Personaldienstleister grundsätzlich nicht das Recht, dem Zeitarbeitnehmer die Weisung zu erteilen, während der Arbeitsunfähigkeit zu einem Personalgespräch zu erscheinen, um mit diesem insbesondere dessen weitere Beschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb zu erörtern bzw. zu klären. Eine abweichende Bewertung ist hingegen angezeigt, wenn ein „berechtigtes Interesse“ des Personaldienstleisters besteht. Ein solches ist jedoch nur dann anzunehmen, wenn ein dringender betrieblicher Anlass besteht, der keinen Aufschub der arbeitgeberseitigen Weisung auf einen Zeitpunkt nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit gestattet. Diese Voraussetzungen werden in der Praxis nur in seltenen Ausnahmefällen erfüllt sein.


Zum zweiten zweiten Teil des Beitrags geht's hier entlang.


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Dieser Beitrag wurde gemeinsam von Dr. Alexander Bissels und Kira Falter erstellt. Kira Falter ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei CMS Hasche Sigle. Sie berät Unternehmen in allen Fragen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt ist der Einsatz von Fremdpersonal, u.a. zu Fragen der Arbeitnehmerüberlassung und beim Einsatz von Freelancern und bei der Beauftragung externer Dienstleister.

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