„Equal-Pay-Bestandteile sind auch beim TV BZ nach neun Monaten zu berücksichtigen“
- Die Erfüllung der gesetzlichen Rahmenbedingung ab dem 15. Monat ist nicht schon die tarifliche Abweichung vom gesetzlichen Equal Pay, sagt AÜG-Expertin Annette Kühnemund
- In puncto Entgeltbestandteile konkurrieren Regelungen des Entleihbetriebs mit den arbeitsrechtlichen beziehungsweise tariflichen Ansprüchen der Leiharbeitnehmer
- Auskunftsanspruch seitens des Verleihers besteht schon ab Stufe fünf
- Entgeltbestimmungen sollten in den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag aufgenommen und im Rahmen des Nachweisgesetzes dem Leiharbeitnehmer ausgehändigt werden
Seit Inkrafttreten der AÜG-Reform ist es möglich, vom Gleichstellungsgrundsatz beim Arbeitsentgelt durch Branchenzuschlagstarifvertrag mehr als neun Monate abzuweichen. Und zwar dann, wenn diese TV BZ zwei gesetzliche Bedingungen erfüllen: Es muss nach 15 Monaten ein als gleichwertig festgelegtes Arbeitsentgelt erreicht werden und nach einer Einarbeitungszeit muss es eine Entgelterhöhung geben (§ 8 Absatz 4 Satz 2 AÜG).
Damit hat der Gesetzgeber lediglich die Rahmenbedingungen festgelegt, die von den Tarifparteien umgesetzt werden müssen, um in der Einsatzbranche auch über neun Monate hinaus vom gesetzlichen Equal Pay abweichen zu dürfen.
Das heißt: Abweichungen vom Equal Pay sind in den Branchenzuschlagstarifverträgen zu vereinbaren!
Die von BAP und iGZ verhandelten Branchenzuschlagstarife haben mit der fünften und der neuen sechsten Zuschlagsstufe nur den Branchenzuschlag auf den tariflichen Stundenlohn festgelegt. Allerdings umfasst das nur die Grundvergütung, wie der TV BZ ME in § 2 Absatz 7 (TV BZ ME steht hier zum Download bereit) selbst bestimmt: „Der Branchenzuschlag ist Teil des festen tariflichen Entgelts gemäß § 13.2 MTV BAP bzw. Teil der Grundvergütung gemäß § 2 Abs. 1 Entgelttarifvertrag iGZ.“
Arbeitsentgelt ist mehr als Grundvergütung
Diese Regelung ist problematisch, denn: Urlaubsentgelt, Entgeltfortzahlung, Sonderzahlungen, Zulagen, Zuschläge und vermögenswirksame Leistungen gehören ebenfalls zum Arbeitsentgelt! Vertretbar ist es meines Erachtens auch, Regelungen zum Zeitarbeitskonto und Auslösen in den Equal-Pay-Anspruch einzubeziehen. Grundsätzlich ist nach dem Willen des Gesetzgebers und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts jede Bruttovergütung zu berücksichtigen, die als Gegenleistung zur Tätigkeit beziehungsweise aus gesetzlicher Entgeltfortzahlungspflicht gewährt wird (siehe z. B. BT-Drucksache 18/9232 S. 23: Zu Absatz 1 und BAG 13. März 2013 – 5 AZR 294/12).
Die Tarifparteien haben in den TV BZ keine vergleichbaren Regelungen zu den sonstigen Bestandteilen des Arbeitsentgelts festgelegt. Dass die sonstigen Tarifverträge von iGZ und BAP wie Manteltarifvertrag und Entgeltrahmentarifvertrag mit Ablauf des neunten Monats keine abweichende Regelung mehr entfalten können, ergibt sich aus § 8 Absatz 2 AÜG und ist ausdrücklich klargestellt durch § 8 Absatz 4 Satz 1 AÜG.
Urlaubsentgelt, Entgeltfortzahlung, Sonderzahlungen, Zulagen, Zuschläge und vermögenswirksame Leistungen gehören ebenfalls zum Arbeitsentgelt!
Ansprüche auf Entgeltbestandteile über die Grundvergütung hinaus
Unverändert ergeben sich die Ansprüche der Leiharbeitnehmer auf weitere Entgeltbestandteile wie zum Beispiel Sonntagszuschlag aus den sonstigen Rechtsgrundlagen. Ohne Anwendung eines Tarifvertrags ergeben sich diese Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag. Bei arbeitsvertraglich vereinbarter Anwendung der Tarifverträge von iGZ und BAP wird der Arbeitsvertrag durch diese tariflichen Regelungen ergänzt. Nach neun Monaten erweitert sich die Anspruchsgrundlage per Gesetz um die Entgeltbestimmungen des Entleihbetriebs, weil die TV BZ in ihren Tarifverträgen keine abweichenden Regelungen getroffen haben.
Für die Praxis bedeutet das: Ergänzende und konkurrierende Bestimmungen liegen nebeneinander.
Fazit
Aus dem Genannten ergibt sich, dass auch bei Anwendung von Branchenzuschlagstarifverträgen über die Grundvergütung hinausgehende Entgeltbestandteile wie Zuschläge, Zulagen, Sonderzahlungen etc. nach dem neunten Monat nach den Grundsätzen des Equal Pay des Entleihers abgerechnet werden müssen. Insoweit besteht ein gesetzlicher Auskunftsanspruch seitens des Verleihers. Darüber hinaus sind diese Entgeltbestimmungen zwingend in den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag aufzunehmen (§ 12 Absatz 1 AÜG) und im Rahmen des Nachweisgesetzes dem Leiharbeitnehmer (§ 3 NachwG) auszuhändigen.
Fraglich ist, welche Ansprüche letztendlich bestehen und was konkret verrechnet werden kann. Darauf gehe ich im nächsten Beitrag hier im arbeitsblog ein.
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