Edgar Schröder: „Verhandlungsführer Sven Kramer muss dicke Bretter bohren!“
- Edgar Schröder analysiert die laufenden Tarifverhandlungen. Aufgrund der immensen Forderungen des DBG rechnet er frühestens im Dezember 2019 mit konkreten Verhandlungsergebnissen
- Da die VGZ nach Schröders Ansicht „nicht sonderlich viel Verhandlungsmasse“ hat, sind von Verhandlungsführer Sven Kramer und seinen Mitstreitern Geschick und Geduld gefragt
- Insgesamt hofft der Berater der Zeitarbeit auf einen wirtschaftlich tragfähigen und ausgewogenen Kompromiss – und nicht auf eine folgenschwere Belastungsprobe für die Tarifpartnerschaft
Am 17. September 2019 starteten in Berlin die Tarifverhandlungen in der Zeitarbeitsbranche. Der Verhandlungsgemeinschaft Zeitarbeit (VGZ), bestehend aus Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister e. V. (BAP) und dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen e. V. (iGZ), steht die Tarifgemeinschaft Zeitarbeit des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) mit allen acht DGB-Mitgliedsgewerkschaften gegenüber.
Die Forderungen der Gewerkschaftsseite auf einen Blick (zur DGB-Pressemeldung):
- Erhöhung der Tarifentgelte um 8,5 Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten
- Erhöhung der Jahressonderzahlungen: mehr Urlaubs- und Weihnachtsgeld, insgesamt in Höhe eines 13. Monatsgehalts, verknüpft mit einer Vorteilsregelung exklusiv für Mitglieder der DGB-Gewerkschaften
- Erhöhung der Urlaubstage: zunächst 28, nach dem zweiten Jahr dann 30 Urlaubstage
- Equal Pay bei den Zuschlagsregelungen: Zeitarbeitnehmer sollen mindestens dieselben Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeiten erhalten wie die Stammbeschäftigten der jeweiligen Kundenbetriebe
Verhandlungsführer Sven Kramer (iGZ) und sein Stellvertreter Uwe Beyer (BAP) wiesen die Forderungen als überzogen und zu teuer zurück (zum offiziellen Statement):
- „Die Forderung der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit nach einer Tariferhöhung in der Zeitarbeit von 8,5 Prozent ist nach Einschätzung der Verhandlungsgemeinschaft Zeitarbeit, bestehend aus den Arbeitgeberverbänden BAP und iGZ, für eine Branche, die aktuell erheblich von der negativen wirtschaftlichen Entwicklung getroffen ist, vollkommen überzogen. Eine Forderung in dieser Höhe lässt den Bezug zur gegenwärtigen Situation vermissen. In der aktuellen Phase würden durch derartige Forderungen weitere Arbeits-plätze gefährdet und Integrationschancen von Menschen in den Arbeitsmarkt behindert.“
Per Newsletter informierte der DGB in der 38. KW die Arbeitnehmerseite über die Tarifverhandlungen und verkündete u. a.:
- „Die Arbeitgeber sind am Zug! Beim nächsten Verhandlungstermin am 29. Oktober 2019 muss sich die Arbeitgeberseite deutlich auf uns zu bewegen und ein konkretes Angebot auf den Tisch legen!“
- „Einen Stillstand in der Branche darf es nicht geben. Die Leiharbeit muss endlich zu einer Branche mit guten Arbeitsbedingungen werden und die Löhne müssen deutlich steigen. Ein weiteres ‚auf Zeit spielen‘ der Arbeitgeberseite wird entschieden zurückgewiesen. Die DGB-Gewerkschaften haben die Arbeitgeberseite daher aufgefordert, sich konkret zu den Forderungen zu äußern und am 29. Oktober 2019 ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen.“
Aufgrund der immensen Forderungen seitens der DGB-Tarifgemeinschaft ist unschwer erkennbar, dass ein neuer Tarifabschluss in der Zeitarbeit bereits Ende Oktober sehr unwahrscheinlich ist.
Der amtierende Verhandlungsführer Sven Kramer muss bildlich gesprochen 'dicke Bretter bohren'! Erstmals seit Inkrafttreten der DGB-Zeitarbeitstarifverträge im Frühsommer 2003, also vor über 16 Jahren, sind die tariflichen Stellschrauben Urlaub und Jahressonderzahlungen zusätzlich Gegenstand der Verhandlungsgespräche.
Tarifabschluss könnte sich bis ins erste Quartal 2020 hinziehen
Ich persönlich rechne frühestens im Dezember 2019 mit konkreten Verhandlungsergebnissen. So wurden übrigens die derzeitigen Entgelttarifverträge am 30. November 2016 verständigt und zwar mit einer Gesamtlaufzeit von drei Jahren (2017-2019). Dieses Mal könnte der angestrebte Tarifabschluss sich allerdings zeitlich hinauszögern und gegebenenfalls erst im ersten Quartal 2020 realisiert werden.
Unsere Beratungsvertragskunden finden eine interessante Rückblende auf das historische Tarifgeschehen der Jahre 2009 und 2010 in meinem Klartext aus März 2010 in der Rubrik „Newsletter“ des Kundenbereichs. Der damalige BZA hatte sich am 9. März 2010 und der iGZ am 30. April 2010 mit der DGB-Tarifgemeinschaft auf neue Tarifentgelte ab 1. Juli 2010 verständigt.
Verhandlungsführer Sven Kramer muss ‚dicke Bretter bohren‘
Der amtierende Verhandlungsführer Sven Kramer muss bildlich gesprochen ‚dicke Bretter bohren‘! Erstmals seit Inkrafttreten der DGB-Zeitarbeitstarifverträge im Frühsommer 2003, also vor über 16 Jahren, sind die tariflichen Stellschrauben Urlaub und Jahressonderzahlungen zusätzlich Gegenstand der Verhandlungsgespräche.
Die Arbeitgeberseite hat strategisch betrachtet nicht sonderlich viel Verhandlungsmasse.
Fazit
Verhandlungsgeschick und Geduld sind als Tugenden auf Arbeitgeberseite gefragt und gefordert! Souveränität und Gelassenheit werden zudem die Personaldienstleister im geschäftlichen Alltag aufbringen müssen, wenn in den kommenden Wochen deren Schlüssel- und Bestandskunden nach den Stunden-Verrechnungssätzen für das kommende Jahr 2020 fragen! Außerdem könnte das tarifrechtliche Thema „Nachwirkung“ die Unternehmer in 2020 stressen, sollte bis Jahresende 2019 kein neuer Tarifabschluss erzielt worden sein. Ich hoffe auf einen wirtschaftlich tragfähigen und ausgewogenen Kompromiss – und nicht auf eine folgenschwere Belastungsprobe für die Tarifpartnerschaft.
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