Edgar Schröder: „Die Prüfungspraxis der BA verschärft sich!“
- Edgar Schröder, der Berater der Zeitarbeit, wirft einen Blick in die aktuelle Rechtsprechung der Sozialgerichte und konstatiert: Die Beziehung zwischen der Bundesagentur für Arbeit (BA) und den Zeitarbeitsunternehmen ist tendenziell angespannt
- Die verhängten Auflagen sind jedoch nicht immer verhältnismäßig – und lassen sich in der Praxis kaum realisieren
- Personaldienstleister sind daher gut beraten, durch turnusmäßige Audits sicherzustellen, dass behördenseitig erstellte Mängelrügen in der routinemäßigen Praxis verlässlich und nachhaltig abgestellt werden
Ich befasse mich seit 1986 beruflich mit Prüfungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG). Eine Verschärfung und Zuspitzung der Beanstandungen, wie sie in den vergangenen Monaten stattfindet, habe ich jedoch selten erlebt. Es werden (vermeintliche) tarif- und arbeitsrechtliche Verstöße zum Anlass genommen, den Personaldienstleistern die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG zu attestieren. Wir haben zwar keine aktuellen amtlichen Kennzahlen über erfolgte Beanstandungen, Auflagenbescheide und Ablehnungen der beantragten unbefristeten Verlängerungen der AÜG-Erlaubnisse sowie Ad hoc erfolgte Widerrufe vorliegen. Ein Blick in die aktuelle Rechtsprechung der zuständigen Sozialgerichte wirft allerdings ein grelles Schlaglicht auf die ‚Beziehungsebene‘ zwischen der BA und den Zeitarbeitsunternehmen:
- SG Berlin, Beschluss vom 28.05.2018
- LSG Berlin – Brandenburg, Beschluss vom 22.01.2018
- LSG Niedersachsen – Bremen, Beschluss vom 27.06.2018
- LSG Niedersachsen – Bremen, Beschluss vom 21.12.2018
- LSG Hamburg, Urteil vom 30.01.2019
Unseren Beratungsvertragskunden stellen wir die Urteile zu den genannten Rechtsfällen in unserem geschützten Kundenbereich bereit. Für alle (Noch-)Nicht-Kunden zusammengefasst: Die Fehlertoleranz einiger BA-Prüfer ist stark rückläufig! Beispielsweise in der Umsetzung befristeter Arbeitsverträge, die auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG basieren („in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe“). Dazu erteilte die BA folgenden Auflagenbescheid (auszugsweise Wiedergabe):
Auflage 2a):
- Beim Abschluss jeder Einsatzvereinbarung mit dem Arbeitnehmer ist ein individueller Grund aufzunehmen.
Auflage 2b):
- Basierend auf der Auflage 1 ist zu jeder Einsatzvereinbarung ein schriftlicher Nachweis für den benannten Sachgrund in die Personalakte aufzunehmen.
- Bei Schülern und Studenten ist die jeweilige Studien bzw. Schulbescheinigung beizufügen.
- Arbeitnehmer, die einer weiteren Teil oder Vollzeitbeschäftigung nachgehen, haben die Angaben zu dem Arbeitgeber (Bezeichnung und vollständige Anschrift) inklusive der dort zu leistenden Arbeitszeit zu tätigen.
- Bei Selbstständigen und freiberuflich Tätigen, die bei Ihnen befristet beschäftigt werden, ist die Gewerbeanmeldung aufzuheben bzw. die Steuernummer zu protokollieren.
- Bei Gründen, die sich nicht ohne weiteres schriftlich belegen lassen (bspw. Hausfrauen, Pflege naher Angehöriger, Kinderbetreuung), ist für den in der Person liegenden Befristungsgrund eine handschriftliche Erklärung des Arbeitnehmers erforderlich.
Gesetzliche Leitplanken sind wichtig, dürfen aber nicht dazu führen, dass in der Prüfungspraxis erkennbar kleine Fehler, die mit geringem Korrekturaufwand abzustellen sind, von den BA-Prüfern zu existenzgefährdenden Situationen auf Seiten der betroffenen Personaldienstleister führen!
Gesetzliche Leitplanken sind wichtig, müssen aber verhältnismäßig sein
Der betroffene Personaldienstleister wendete sich erfolgreich gegen die Rechtmäßigkeit dieser Auflagen im einstweiligen Rechtschutz (siehe oben genannter Beschluss des SG Berlin vom 28.05.2018). Die Sozialrichter gehen meines Erachtens zu Recht von der Unverhältnismäßigkeit der Auflagen aus! Denn: In der geschäftlichen Praxis ließe sich deren Umsetzung kaum realisieren. Vermutlich würden sich viele potentielle Kandidaten weigern, die geforderten Unterlagen auszuhändigen bzw. persönliche Hintergründe handschriftlich zu dokumentieren.
Auf der anderen Seite erwartet die Branche, dass Mitwettbewerber die AÜG-technischen tariflichen sowie arbeitsrechtlichen ‚Spielregeln‘ korrekt umsetzen, damit keine Wettbewerbsvorteile auf Kosten der externen Mitarbeiter erzielt werden.
Im Interesse des Fair Plays im Umgang mit den externen Mitarbeitern ist es richtig, dass die Zeitarbeitsbranche gesetzliche Leitplanken zu beachten hat. Diese dürfen allerdings nicht dazu führen, dass in der Prüfungspraxis erkennbar kleine Fehler, die mit geringem Korrekturaufwand abzustellen sind, von den BA-Prüfern zu existenzgefährdenden Situationen auf Seiten der betroffenen Personaldienstleister führen!
Viele BA-Prüfer agieren mit Augenmaß
Meine Fachberater und ich erleben in den allermeisten Fällen, in denen wir die BA-Prüfung direkt vor Ort begleiten, dass Fehler mit Augenmaß bewertet werden. Gleichwohl wird in den behördlichen Prüfberichten abschließend die textbausteinmäßige Warnfunktion eingebettet:
Die Betriebsprüfung hat gezeigt, dass die Arbeitnehmerüberlassung derzeit nicht entsprechend allen arbeits- und arbeitnehmerüberlassungsrechtlichen Vorgaben erfolgt.
Die Erlaubnis ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Verleiher die für die Ausübung der Arbeitnehmerüberlassung erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, unter anderem weil er die arbeitsrechtlichen Pflichten nicht einhält.
Die festgestellten Verstöße veranlassen mich, Ihnen diese Hinweise zu erteilen, um zu vermeiden, dass künftig Tatsachen eintreten, die eine Versagung der Erlaubnis rechtfertigen. Da die Feststellungen außerdem bereits mit dem Prüfteam ausführlich besprochen worden sind, gehe ich davon aus, dass Sie das beanstandete Verhalten bereits abgestellt haben bzw. umgehend abstellen werden.
Von einer ordnungsgemäßen Umsetzung dieser Hinweise in der Praxis gehe ich daher derzeitig aus. Hiervon wird sich die Erlaubnisbehörde im Rahmen einer weiteren Betriebsprüfung gem. § 7 Abs. 2 AÜG zu gegebener Zeit überzeugen.
Fazit
Aus Unternehmersicht ist es also angeraten, durch turnusmäßige interne und/oder externe Audits sicherzustellen, dass behördenseitig erstellte Mängelrügen in der routinemäßigen Praxis verlässlich und nachhaltig abgestellt werden. Aufgrund der gesellschaftspolitischen Misstrauenskultur und des latenten Generalverdachts gegenüber der Zeitarbeitsbranche wird sich an der Prüfungsintensität der BA in Zukunft vermutlich nichts ändern.
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