10.08.2021 Redaktion arbeitsblog

Beim Thema Preis reden viele zu lange um den heißen Brei herum

  • Die Kostenkalkulation gehört zu den großen Herausforderungen der Personaldienstleistung. Sind die Preise zu hoch, schreckt das potenzielle Kunden unter Umständen ab. Fallen die Kalkulationen hingegen zu niedrig aus, lassen sich damit nicht alle entstehenden Kosten tragen.
  • Wie können Personaldienstleister ihre Preise fair, transparent sowie marktgerecht gestalten und Verhandlungen mit Kunden selbstbewusst führen?
  • Darüber haben wir mit Jochen Garbers gesprochen. Er selbst bringt jahrelange Erfahrung als Preismanager im Bereich der Personaldienstleistung mit und hat sein Wissen genutzt, um kalkool zu entwickeln – ein Kalkulationstool für die Zeitarbeit.

arbeitsblog: Herr Garbers, Sie kommen ursprünglich aus der Unternehmensberatung, waren unter anderem mehrere Jahre bei Simon-Kucher & Partners tätig. Wie kam es dazu, dass Sie Ihren Schwerpunkt schließlich auf die Zeitarbeit legten?

Jochen Garbers: Als Unternehmensberater hatte ich einen Kunden, der aus der Zeitarbeit kam. Ich fand die Branche interessant und als ich mich mit dem Thema auseinandersetzte, stellte ich mir irgendwann die Frage: „Ist Zeitarbeit etwas, was ich moralisch gut finde?“ Das konnte ich eindeutig mit „Ja“ beantworten – und kann es immer noch. Meiner Meinung nach leisten Personaldienstleistungen einen ganz wichtigen Beitrag für den Arbeitsmarkt. Darüber hinaus finde ich, dass meine Kenntnisse und das Wissen aus der Unternehmensberatung hier sehr sinnvoll eingesetzt werden können – und so kam es, dass ich schließlich die Fronten gewechselt habe und einige Jahre lang als Strategie- und Preisberater in der Zeitarbeit tätig war.

Porträtfoto von Jochen Garbers
Jochen Garbers, Entwickler des Angebotstools kalkool

arbeitsblog: Welche Erkenntnisse haben Sie in dieser Zeit gewonnen, was die Preisverhandlungen mit Kundenunternehmen angeht?

Jochen Garbers: Gutes Preismanagement im Sinne des eigenen Geschäfts und eine saubere Kalkulation sind das A und O. Das ist quasi die Pflicht – und die Verhandlungen im Anschluss die Kür.

arbeitsblog: Warum ist die Kalkulation so wichtig?

Jochen Garbers: Nun ja, Personaldienstleister verkaufen keine Produkte, sondern vermitteln Arbeitskräfte. Und jeder Mensch ist anders, bringt unterschiedliche Fähigkeiten und Kenntnisse mit. Zudem haben jedes Projekt und jeder Auftrag ihre ganz eigenen Besonderheiten und Rahmenbedingungen. Bei diesem vielschichtigen Geschäft kann man nicht etwa mit starren Preislisten arbeiten, da man nicht einfach pauschal eine Zahl nennen kann, die dann für alle Aufträge passt.

arbeitsblog: Das klingt natürlich logisch. Doch die komplexe Kalkulation ist nur der erste Schritt – im zweiten muss man die Kunden davon überzeugen, dass die berechneten Preise gerechtfertigt sind. Basierend auf Ihrer Erfahrung, welche Tipps haben Sie für Personaldienstleister?

Jochen Garbers: Bei den Verhandlungen machen viele einen Kardinalfehler: Sie reden beim Thema Preis zu lange um den heißen Brei herum. Das ist allerdings eine Schwächung der eigenen Position, die auch vom Kunden wahrgenommen wird. Das muss einem bewusst sein.

Natürlich sollte der Kunde zuerst den Wert und die Qualität des Angebots einschätzen können. Aber ansonsten ist es viel weniger Rhetorik, als die meisten annehmen. Klare Kommunikation ist hier meist deutlich effizienter.

– Jochen Garbers über Preisverhandlungen in der Personaldienstleistung

 

arbeitsblog: Würden Sie eine andere Vorgehensweise empfehlen?

Jochen Garbers: Aus der Psychologie kennt man den sogenannten „Ankereffekt“. Der besagt, dass ein Preis, der möglichst früh genannt wird, die eigene Entscheidung stark beeinflussen kann. Daher wäre es eine bessere Strategie, den Preis möglichst früh zu nennen und einfach klar zu kommunizieren.

arbeitsblog: Aber schreckt es die Kunden nicht ab, wenn der Dienstleister quasi „mit der Tür ins Haus fällt“?

Jochen Garbers: Natürlich sollte der Kunde zuerst den Wert und die Qualität des Angebots einschätzen können. Aber ansonsten ist es viel weniger Rhetorik, als die meisten annehmen. Viele glauben, sie müssen zahlreiche tolle Worte finden oder lange und ausführlich erklären. Letztendlich ist das nicht der Fall – klare Kommunikation ist hier meist deutlich effizienter.

arbeitsblog: Sie erwähnten gerade den Ankereffekt. Gibt es noch weitere Effekte, die man aus anderen Bereichen kennt und die auch in der Preisgestaltung in der Zeitarbeit zum Einsatz kommen könnten?

Jochen Garbers: Spannend ist in diesem Zusammenhang auch der „Preispräzisionseffekt“. Bei einem Experiment – es ging um das Thema Hauskauf – fand man heraus, dass viele Menschen krumme Preise spontan als günstiger empfinden. Wenn also ein Haus 293.570 Euro kostet und ein anderes 293.000 Euro, würden die meisten den ersten Preis zunächst als niedriger einstufen. Im direkten Vergleich sieht man dann natürlich, dass das nicht stimmt. Aber in unserer Wahrnehmung sind runde Preise oftmals aufgerundete Preise. Krumme Zahlen dagegen sind für uns „ehrlich“. Sie erwecken den Anschein, dass hier genau die Zahl vermittelt wird, die bei der Kalkulation entstanden ist. Es gibt allerdings keine konkreten Untersuchungen, ob dieser Effekt auch in der Personaldienstleistung funktioniert.

arbeitsblog: Sicher wäre es spannend, das auszuprobieren – etwa bei der Preisgestaltung für einen Neukunden. Verhandlungen mit Bestandskunden haben aber auch ihre eigenen Besonderheiten, oder?

Jochen Garbers: Genau. Grundsätzlich hängen die Preise in der Personaldienstleistung von den geltenden Tarifverträgen. Immer, wenn neue Tarifverträge beschlossen werden, gibt das auch einen Anlass für Preiserhöhungen in der Zeitarbeit. Und genau hier gibt es einiges zu beachten.

arbeitsblog: Können Sie uns ein Beispiel geben?

Jochen Garbers: Viele Kunden versuchen, auf den Cent genau auszurechnen, was die Tariferhöhung genau bedeutet – und den Betrag 1:1 auf den Vertrag mit dem Personaldienstleister zu übertragen. Wenn dieser zustimmt, tappt er sozusagen in die Falle. Denn dadurch sind zwar die höheren Stundenlöhne für seine entliehenen Arbeitskräfte gedeckt, nicht aber die eigenen Kosten, die naturgemäß auch in regelmäßigen Abständen steigen. Gehaltserhöhungen für die internen Mitarbeitenden sind da logischerweise auch nicht enthalten – und die sollten natürlich auch miteinbezogen werden.

Meiner Meinung nach ist es essenziell, sich einen großen Kundenstamm aufzubauen. Dadurch haben Zeitarbeitsunternehmen Alternativen – und das Wissen, dass man nicht auf einen oder wenige Kunden angewiesen ist, macht sich auch in den Preisverhandlungen bemerkbar.

– Jochen Garbers blickt auf jahrelange Erfahrung als Preismanager in der Zeitarbeit zurück

 

arbeitsblog: Welche Strategie wäre aus Ihrer Sicht besser?

Jochen Garbers: Prozentuale Erhöhungen der Tarifverträge sollten sich vonseiten des Personaldienstleisters auch in einer gleich hohen prozentualen Erhöhung des Preises widerspiegeln. Das ist für alle Beteiligten fair.

arbeitsblog: Ob Neu- oder Bestandskunde: Es gibt auch sicher Aufträge, die sich einfach nicht rentieren. Wie können Personaldienstleister die Grenze festlegen, ab der sie „Nein“ sagen sollten?

Jochen Garbers: Die Grenze festzulegen, ist nicht so schwierig. Die meisten kennen sie – sie neigen nur unter Umständen dazu, sie zu ignorieren.

arbeitsblog: Warum sollten sie das tun?

Jochen Garbers: Ein Preis, der einem langfristig das Genick bricht, kann kurzfristig durchaus sinnvoll sein. Ein niedriger Deckungsbeitrag ist besser als gar kein Deckungsbeitrag und sogar ein negativer Deckungsbeitrag ist besser, als per Garantielohn zu 100 Prozent auf den Kosten sitzen zu bleiben. Als Führungskraft wäre mir wichtig, dass ich immer Bescheid weiß, wenn solche kurzfristigen Deals laufen. Schließlich möchte ich sicherstellen, dass alles dafür getan wird, dass das kurzfristig bleibt und tatsächlich nur in absoluten Ausnahmefällen vorkommt.

arbeitsblog: In Ihrem Tool kalkool haben Sie eine entsprechende Funktion eingebaut, die einem sofort anzeigt, ob ein möglicher Auftrag rentabel ist oder nicht, richtig?

Jochen Garbers: Genau. Das ist eine von vielen Funktionen, die Personaldienstleistern die Kalkulation erleichtern sollen, was auch die Hauptmotivation für mich zur Entwicklung des Tools war. Immerhin ist die Preisberechnung zu großen Teilen gleich, auch wenn sich die Vorgaben der einzelnen Unternehmen in Bezug auf Wirtschaftlichkeit etc. unterscheiden. Dennoch bleiben die Berechnungen in groben Zügen gleich. Da ergibt es einfach keinen Sinn, wenn jede Zeitarbeitsfirma eine eigene, selbst gebastelte Lösung verwendet. Viel zielführender ist es, wenn jemand, der sich wirklich mit dem Thema auskennt, ein geeignetes Tool entwickelt.

arbeitsblog: Und das haben Sie in die Hand genommen. Wie kamen Sie auf die Idee?

Jochen Garbers: Ich habe bereits vor Jahren erste Kalkulationsanwendungen entwickelt. Als Preismanager waren die Berechnungen schließlich eine meiner Kernaufgaben. Dabei habe ich gemerkt, dass die Menschen, die mit so einem Tool arbeiten würden, ganz unterschiedliche Anforderungen haben. Für Berufsanfänger etwa ist es wichtig, dass möglichst viel Know-how zur Kalkulation im Tool automatisch zur Anwendung kommt. Profis hingegen profitieren von einem Tool in erster Linie dann, wenn es für sie eine Zeitersparnis bedeutet und sie mit dem Tool auch knifflige Fälle bearbeiten können.

Und dann gibt es noch die Führungskräfte. Für sie ist es wichtig, ihre eigenen Erfahrungen mit Preisen zu hinterlegen und Zielpreise festzulegen. All diese Anforderungen wollte ich unter einen Hut bringen.

arbeitsblog: Damit unterstützen Sie Personaldienstleister dabei, eine genaue Kalkulation zu erstellen und die Basis für zukünftige Preisverhandlungen zu schaffen. Was würden Sie ihnen darüber hinaus raten? Was ist neben der transparenten Preisberechnung wichtig?

Jochen Garbers: Meiner Meinung nach ist es essenziell, sich einen großen Kundenstamm aufzubauen. Dadurch haben Zeitarbeitsunternehmen Alternativen – und das Wissen, dass man nicht auf einen oder wenige Kunden angewiesen ist, macht sich auch in den Preisverhandlungen bemerkbar. Wer breit aufgestellt ist, geht Kundengespräche mit einem ganz anderen Selbstbewusstsein an.

arbeitsblog: Vielen Dank für das interessante Gespräch, Herr Garbers!

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