04.01.2022 Redaktion arbeitsblog

2022: Viele Fragezeichen, aber auch vorsichtiger Optimismus

  • Mehr Lohn für Zeitarbeitskräfte, höhere Sonderzahlungen und digitale Krankmeldung: Diese essenziellen Änderungen stehen bereits fest und werden sich in den kommenden Monaten auf die Branche auswirken.
  • Darüber hinaus schweben weitere Themen in der Luft und werfen dank ausstehender Entscheidungen ihren Schatten voraus – von AÜG-Evaluierung über Tarifverhandlungen bis hin zum Urteil in Sachen Verbot der Zeitarbeit in der Fleischindustrie.
  • Was erwartet 2022 die Branche? Worauf können sich Personaldienstleister freuen und was trübt eher die Vorfreude auf die kommenden Monate?

Seit genau einem Jahr betreue ich mittlerweile redaktionell den arbeitsblog. Und auch wenn in der Personaldienstleistung bereits in den vergangenen zwölf Monaten einiges passiert ist, abgezeichnet hat sich aus meiner Sicht vor allem eines: 2022 wird es erst richtig spannend. Einige Änderungen, die die Branche betreffen, stehen schon fest, andere sind aktuell eher große Fragezeichen. Was erwartet die Personaldienstleistung in den kommenden Monaten? Hier kommt die große arbeitsblog-Übersicht.

Das steht bereits fest: Anhebung des Mindestlohns und der Jahressonderzahlungen

Ab dem 1. April 2022 gelten neue Mindestlöhne für alle Zeitarbeitskräfte, die nach dem iGZ-DGB- oder dem BAP-DGB-Tarifwerk bezahlt werden. Der Mindestlohn in der Entgeltgruppe 1 liegt dann mit 10,88 Euro pro Stunde weiterhin über dem gesetzlichen Mindestlohn. Dieser beträgt aktuell 9,82 Euro pro Stunde und wird zum 1. Juli auf 10,45 Euro angehoben.

Auch die Löhne in allen weiteren Entgeltgruppen werden angehoben, wie folgende Übersicht zeigt:

Mindestlohn in der Zeitarbeit

 

EG 1

EG 2a

EG 2b

EG 3

EG 4

EG 5

EG 6

EG 7

EG 8

EG 9

Mindestlohn bis 31.03.

10,45 €

11,15 €

11,72 €

12,79 €

13,53 €

15,27 €

17,19 €

20,07 €

21,60 €

22,79 €

Mindestlohn ab 01.04.

10,88 €

11,60 €

12,20 €

13,32 €

14,08 €

15,90 €

17,90 €

20,89 €

22,49 €

23,72 €

 

Mitarbeitende, die seit mindestens sechs Monaten ununterbrochen bei einem iGZ- oder BAP-Mitgliedsunternehmen angestellt sind (extern), haben zudem Anspruch auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Auch diese Sonderzahlungen fallen ab sofort höher aus. Gab es bisher nach dem sechsten Monat jeweils 150 Euro, steigt der Betrag nun auf 180 Euro. Ab dem zweiten Jahr haben Mitarbeitende Anspruch auf jeweils 250 Euro Urlaubs- und Weihnachtsgeld, ab dem vierten Jahr auf jeweils 325 Euro (bisher: 225 Euro).

Zusätzliche Vorteile für Gewerkschaftsmitglieder

Mitarbeitende, die seit mindestens sechs Monaten Mitglied in einer tarifschließenden DGB-Gewerkschaft sind, erhalten zusätzlich Anspruch auf jeweils 70 Euro Urlaubs- und Weihnachtsgeld nach dem sechsten Beschäftigungsmonat. Auch dieser Betrag erhöht sich ab dem zweiten (120 Euro) beziehungsweise ab dem vierten Beschäftigungsjahr (200 Euro).

Digitale Krankmeldung: Ein weiterer Schritt in Richtung papierloses Büro

Wer sich krankmeldet, erhält vom Hausarzt den sogenannten „gelben Schein“ – die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die der Mitarbeitende seinem Arbeitgeber vorlegt. Noch, denn die Krankmeldung in Papierform gibt es nur noch bis zum 30. Juni 2022. Ab dem 1. Juli gilt zwingend das eAU-Verfahren und Arbeitgeber können die Krankmeldungen ihrer Mitarbeitenden direkt bei der Krankenkasse digital abrufen.

Wenn Sie vermuten, dass diese Änderung mit technischen und administrativen Anpassungen verbunden ist, haben Sie vollkommen recht. Denn der Datenschutz muss auch künftig gewährleistet sein, was wiederum den Einsatz verschlüsselter Datenübertragung und systemgeprüfter Abrechnungssoftware nötig macht.

Evaluation des AÜG: Ergebnisse voraussichtlich 2022

Nach der Novellierung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) im Jahr 2017 wurde 2019 dessen Evaluierung gestartet, mit dem Ziel, die Wirksamkeit der Regelungen und die Situation vor und nach der Gesetzesnovelle miteinander zu vergleichen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Überlassungshöchstdauer sowie das Thema Equal Pay. Im Laufe des Jahres 2022 sollen nun die Ergebnisse veröffentlicht werden, die von der Branche mit Spannung erwartet werden – nicht zuletzt, da sie gemeinsam mit dem erwarteten EuGH-Urteil zu Equal Pay als Grundlage für eine mögliche weitere Novellierung des AÜG im Jahr 2023 dienen können. Eine Einschätzung der eventuell bevorstehenden Gesetzesänderung hat bereits Edgar Schröder hier im arbeitsblog vorgenommen.

Apropos Gerichtsurteile: Neben der Equal-Pay-Entscheidung werden auch weitere Urteile die Zukunft der Branche prägen. Bereits in wenigen Wochen wird sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit der verlängerten Überlassungsdauer in der Metall- und Elektroindustrie auseinandersetzen. Währenddessen liegt dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Verfassungsbeschwerde gegen das Verbot beziehungsweise die Einschränkung der Zeitarbeit in der Fleischindustrie.

Tarifverhandlungen stehen vor der Tür

Im erwähnten Beitrag geht Edgar Schröder unter anderem davon aus, dass die AÜG-Evaluation auch die bevorstehenden Tarifverhandlungen beeinflussen wird. Diese stehen höchstwahrscheinlich im Laufe des Jahres an, da die aktuell gültigen Tarifverträge voraussichtlich zum Ende 2022 auslaufen. Ende 2019 hatten sich die Verhandlungsgemeinschaft Zeitarbeit (VGZ) und die DGB-Tarifgemeinschaft in der vierten Verhandlungsrunde geeinigt. Branchenexperten gehen derzeit davon aus, dass sich die Verhandlungen 2022 ähnlich zäh gestalten könnten.

Ein weiteres Jahr im Zeichen der Pandemie?

Leider kommen wir nicht komplett drumherum, zumindest kurz über die Pandemie und deren Auswirkungen zu sprechen.

Immerhin gibt es an dieser Front zur Abwechslung Positives zu berichten. So ergab die traditionelle Lünendonk-Blitzumfrage zum Ende des Jahres 2021, dass die meisten Personaldienstleister positiv in die Zukunft blicken – und das aus gutem Grund. Bereits im vergangenen Jahr verzeichneten die Unternehmen rund 2,6 Prozent höhere Umsätze als 2019 und lagen somit über dem Vorkrisenniveau. Zwar muss man hier differenzieren: Große Personaldienstleister mit mehr als fünf Millionen Euro Umsatz im Jahr erholten sich deutlich schneller (+10 Prozent im Vergleich zu 2019), während kleinere Unternehmen ein Minus in Höhe von 9,7 Prozent verzeichneten, verglichen mit der Zeit vor Corona. Doch auch sie blicken positiv in die Zukunft und erwarten für 2022 Umsatzsteigerungen von rund 11,7 Prozent. Insgesamt geht die Branche laut Lünendonk-Umfrage davon aus, dass sie im gerade beginnenden Jahr 12,4 Prozent höhere Umsätze erzielen wird als 2019.

In diesem Sinne: Lassen wir uns von einem hoffentlich erfolgreichen und starken Jahr 2022 überraschen!


Kristina Pauncheva

Kristina Pauncheva ist Redakteurin im arbeitsblog-Team und beschäftigt sich intensiv mit allen Themen rund um AÜG, Zeitarbeit, Recruiting und Personalvermittlung. Wohin steuert die Personaldienstleistung? Welche Entwicklungen beschäftigen die Branche heute und welche Trends werden sie morgen prägen? Im Austausch mit Expertinnen und -experten erweitert Kristina stetig ihr Wissen über die Branche und hält die arbeitsblog-Leserschaft jeden Dienstag mit dem Newsletter „arbeitsblog aktuell“ auf dem Laufenden. Übrigens, hier geht’s direkt zur Newsletter-Anmeldung ;-)

Kontakt

0911974780 info@kontext.com